Angela Merkel: Der unaufhaltsame Aufstieg der Sphinx

Die ARD ist nicht ganz fair: Während das Porträt über SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier in der vergangenen Woche gespickt war mit kritischen Stimmen (vom Ex-Planungschef im Kanzleramt bis zu Murat Kurnaz), fiel der Film „Die Kanzlerin – Angela Merkel“ kreuzbrav aus.
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Die ARD ist nicht ganz fair: Während das Porträt über SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier in der vergangenen Woche gespickt war mit kritischen Stimmen (vom Ex-Planungschef im Kanzleramt bis zu Murat Kurnaz), fiel der Film „Die Kanzlerin – Bundeskanzlerin Angela Merkel“ kreuzbrav aus.

Thomas Michel und Christian Thiels reihen in ihrem Porträt, das das Erste am Donnerstagabend ausgestrahlt hat, die üblichen Versatzstücke aneinander, die die Öffentlichkeit über Bundeskanzlerin Angela Merkel kennt: Die undurchschaubare Sphinx, detailversessene Pragmatikerin und Moderatorin mit feinen Gespür für populäre Themen. Die Politikerin der kleinen Schritte und die Klima-Kanzlerin, die im kleinen Kreis gerne mal ausländische Regierungschefs imitiert und Außenpolitik vor allem als Bühne begreift.

Zu dramatischem Klaviergeklimper erzählen sie das Heldinnenepos einer ehrgeizigen ostdeutschen Pastorentochter, die es von der "freundlichen grauen Maus" (eine Schulfreundin) über die Sprecherin der letzten DDR-Regierung („mit Bubikopf, Jesus-Latschen und im Kirchentags-Look“, so ihr damaliger Chef Lothar de Maizière) und „Kohls Mädchen" bis zur machtbewussten, selbst von abgebrühten Polit-Machos bewunderten Kanzlerin gebracht hat.

So knurrt SPD-Altrocker Struck anerkennend: „Wir haben sie eigentlich alle unterschätzt.“ CSU-Ironiker Seehofer murmelt: „Wer Bundeskanzlerin Angela Merkel unterschätzt, hat schon verloren. Entweder merkt man erst hinterher, das man waffenlos ist, oder man denkt gar nicht daran, die Waffen, die man noch hat, einzusetzen.“ FDP-Chef Westerwelle säuselt: „Sie ist klug.“ Und Merkels Partei-Antipode Schäuble, den sie als Bundespräsidenten zu verhindern wusste, seufzt aus schmerzhafter Erfahrung: „Auseinandersetzungen mit ihr sind nicht leicht erfolgreich zu bestehen.“

Ein Hauch von Kritik kommt nur von Stimmen außerhalb der Politik: „Bundeskanzlerin Angela Merkel legt sich nicht fest, sagt wenig, also kriegt sie auch Zustimmung von 70 Prozent“, sagt „Spiegel“-Journalist Dirk Kurbjuweit. Und Merkel-Biograph Gerd Langguth fragt: „Was ist eigentlich der Markenkern der CDU unter Merkel, was ist die christdemokratische Identität?"

Die gewichtigen Kritiker aber schweigen – nicht nur Helmut Kohl, der überdies schwer krank ist. Zu gerne hätte man etwa den scharfzüngigen, klugen Friedrich Merz vernommen, den Merkel als CDU-Fraktionschef abgesägt hat und dessen Stimme viele Konservative in der Union heute schmerzhaft vermissen. Auch die Stimmen von Edmund Stoiber und Kurt Beck fehlen, die als Ex-Chefs von CSU und SPD mit Merkel im Koalitionsausschuss auf Augenhöhe verhandelten. Interessant wäre schließlich gewesen, was SPD-Chef Müntefering über Merkel zu sagen hat, deren Vizekanzler er immerhin einige Jahre lang war – das Tischtuch ist längst zerschnitten. Und von Bundeskanzlerin Angela Merkel einflussreichem Frauen-Netzwerk, zu dem unter anderem Alice Schwarzer und Friede Springer gehören, äußert sich selbstredend auch niemand vor der Kamera.

So bleiben von dem Merkel-Film eigentlich nur zwei Szenen im Gedächtnis: Zum einen die coole Antwort der ihr Privatleben rigoros abschirmenden Kanzlerin, warum auf ihrem Schreibtisch kein Bild ihres Mannes stehe: „Ich habe keine privaten Bilder jetzt hier, die hab ich zu Hause. Aber ich hab ihn ja im Kopf.“ Darauf der Reporter: „Und im Herzen, oder?“ Merkel genervt: „Ja, da auch.“

Zum anderen einige bemerkenswert offene Sätze von Merkels Kanzleramtschef Thomas de Maizière, der zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr und den am Hindukusch gefallenen Soldaten sagt: „Das prägt, das bringt Falten ins Gesicht – und ins Herz.“ Und der Selbstzweifel der Regierung bei ihrer Anti-Krisen-Politik einräumt: „Wir haben an der Grenze unserer intellektuellen Kapazität gearbeitet beim Finanzmarktstabilisierungsgesetz."

Da fröstelt es den Bürger dann irgendwie doch.

Markus Jox

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