"Brauchen die Entscheidung bereits im Januar": Gesundheit von bayerischen Kühen in Gefahr
Berchtesgaden/Pinzgau – Wenn bayerische Bauern im Frühjahr ihr Vieh auf Almen im benachbarten Österreich treiben wollen, geraten sie in ein Dilemma: Die Tiere überschreiten eine Staatsgrenze – und unterliegen damit den Einfuhrbestimmungen eines anderen Landes. "Wir wissen jedes Jahr erst viel zu spät, woran wir sind", sagt Hans Gruber, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands im Berchtesgadener Land.
Die Kritik des Landwirts zielt auf die mangelnde Planbarkeit des Weidebetriebs auf Almen wie der Kallbrunnalm – eine der größten bayerisch genutzten Flächen im österreichischen Pinzgau. Eine Debatte hierüber hatte es erst kürzlich während der Jahreshauptversammlung der Berchtesgadener Almbauern gegeben.
Das größte Problem: die Blauzungenkrankheit
Im Zentrum des Problems stehen die österreichischen Einfuhrvorschriften für Rinder. "Es gibt keine frühzeitige Regelung darüber, welche Anforderungen Österreich den bayerischen Bauern auferlegt", sagt Gruber. Besonders brisant ist dabei die sogenannte Blauzungenkrankheit – eine Virusinfektion, die in Deutschland und Österreich unterschiedlich reguliert wird.
Aktuell geht es um den Serotyp 3, der in Bayern kursiert. In Österreich steht dagegen auch Serotyp 4 im Fokus. Welche Impfung wann anerkannt wird, ist offen – ebenso, ob von österreichischer Seite überhaupt eine Impfung verlangt wird oder ob stattdessen alternative Maßnahmen wie Insektenabwehrmittel und Blutproben ausreichen.
"Wir brauchen die Entscheidung nicht erst im April"
Gruber fordert seit längerem, dass bereits im Winter Klarheit herrschen müsse: "Wir brauchen die Entscheidung nicht erst im April, sondern im Januar." Denn: Wer seine Tiere im Mai auftreiben will, muss bei Impfpflicht bereits jetzt handeln. Zwei Impfungen im Abstand von drei Wochen plus Wartezeit – das erfordert Vorbereitung.
Unterstützung bekommt Gruber auch von Ludwig Haas, Leiter des Veterinäramts im Landratsamt Berchtesgadener Land. Auch er mahnt: "Solche Entscheidungen müssen früher getroffen werden, damit die Bauern ausreichend Zeit für eventuelle Impfungen und Vorbereitungen haben." Haas verweist auf die zahlreichen Unwägbarkeiten im grenzüberschreitenden Viehverkehr und sieht eine dringende Notwendigkeit für strukturiertere Abstimmungen.
So existenziell ist das Problem
Wie existenziell die Problematik werden kann, zeigte sich im vergangenen Herbst. Einige Rinder standen bei einsetzendem Schneefall noch auf österreichischer Seite – unklar war, ob eine Rückkehr nach Deutschland problemlos möglich ist. "Die Tiere mussten schließlich heimgeholt werden, ohne dass es eine offizielle Regelung gab", sagt Gruber. Für Betriebe bedeutet das nicht nur zusätzliche Kosten, sondern auch das Risiko, gegen Vorschriften zu verstoßen.
Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass der Konflikt auf tief verwurzelte Besitz- und Nutzungsverhältnisse zurückgeht. Die Kallbrunnalm im Gemeindegebiet Weißbach bei Lofer ist Teil der sogenannten Bayerischen Saalforste – einem bayerischen Staatswald auf österreichischem Hoheitsgebiet.
Diese Besonderheit geht auf Grenzveränderungen nach dem Wiener Kongress von 1815 zurück, bei dem Bayern große Waldflächen im Pinzgau zwar in Österreich verorten, aber im Eigentum behalten durfte.
"Es muss jetzt eine Entscheidung getroffen werden"
Die Weiderechte bayerischer Bauern auf diesen Flächen reichen zum Teil bis ins 14. Jahrhundert zurück und wurden vom ehemaligen Stift Berchtesgaden verliehen. Seither treiben Landwirte aus der Region jedes Jahr ihre Tiere auf diese Flächen – auch heute noch. Rechtlich zulässig, praktisch aber mit Herausforderungen verbunden.
Zwar ist die Zahl der betroffenen Tiere im Verhältnis gering – allein auf der Kallbrunnalm betrifft es acht Bauern – doch die Tragweite ist nicht zu unterschätzen. Entlang des gesamten Alpenkamms betreffen die Einfuhrbeschränkungen Dutzende Betriebe mit historisch gewachsenen Rechten.
"Wenn der erste Almauftrieb im Mai stattfinden soll, muss jetzt eine Entscheidung getroffen werden", fordert Gruber erneut. Nicht erst, wenn die Tiere schon auf dem Weg sind.
Die Almbauern wissen: Tradition hat nur dann eine Zukunftsperspektive, wenn sie auch praktikabel bleibt.
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