Virologe über FFP2-Maskenpflicht: "Das ist Populismus und Blödsinn"

Aktionismus, Chaos, schlechte Umsetzung: Die Entscheidung von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), ab Montag FFP2-Masken im ÖPNV und beim Einkaufen zur Pflicht zu machen, hat ihm viel Kritik eingebracht.
Lisa Marie Albrecht
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Leonie Fuchs |
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Ab der kommenden Woche Pflicht in der U-Bahn: Eine FFP2-Maske. Gleichwohl dieser Fahrgast sie nicht korrekt trägt, denn luftdicht abschließen sollte sie.
Ab der kommenden Woche Pflicht in der U-Bahn: Eine FFP2-Maske. Gleichwohl dieser Fahrgast sie nicht korrekt trägt, denn luftdicht abschließen sollte sie. © Sven Hoppe/dpa

München - Aktionismus, Chaos, schlechte Umsetzung: Die Entscheidung von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), ab Montag FFP2-Masken im ÖPNV und beim Einkaufen zur Pflicht zu machen, hat ihm viel Kritik eingebracht. Nun fordert die Opposition im Landtag, die verschärfte Maskenpflicht grundsätzlich neu zu justieren – und Mediziner zweifeln am Nutzen der FFP2-Masken für Privatpersonen.

RKI empfiehlt FFP2-Masken nicht zur privaten Nutzung

Im Widerspruch zu der neuen Verordnung steht, dass das Robert Koch-Institut (RKI) in seinen Infektionsschutzmaßnahmen (Stand 6. Januar) das Tragen von FFP2-Masken zur privaten Nutzung gar nicht empfiehlt. Zudem warnt es vor möglichen Gesundheitsrisiken bei Lungenkranken und älteren Personen. Ist Söders Beschluss also gar gesundheitsgefährdend?

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Virologe Podbielski hält den Beschluss für Aktionismus

Auf AZ-Anfrage heißt es lediglich, das RKI kommentiere generell keine Maßnahmen anderer Behörden oder Länder. Es verweist allerdings auf eine im November herausgegebene Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) zur Infektionsprävention durch das Tragen von Masken, die sich im Wesentlichen mit den Empfehlungen des RKI deckt.

An dieser Stellungnahme mitgewirkt hat Virologe und DGHM-Mitglied Andreas Podbielski, Direktor des Instituts für Medizische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene der Universität Rostock. Und der findet deutliche Worte: "Ich weiß nicht, was Herrn Söder da geritten hat", sagt der Professor der AZ. "Das hört sich für mich nach Aktionismus an."

FFP2-Maskenpflicht: "Das ist belastend" 

Das Tragen von FFP2-Masken im privaten Bereich sei "Populismus und Blödsinn", so Podbielski weiter. "Das ist belastend, und ich sehe den Sicherheitsgewinn außerdem nicht, sondern haufenweise Risiken." Alltagsmasken zu tragen hält er dort, wo es angebracht ist, für sinnvoll. FFP2-Masken gehören aus seiner Sicht jedoch nur in die medizinischen Berufe.

Erschöpfung durch die Masken

Eine FFP2-Maske habe einen größeren Atemwegswiderstand, erklärt der Mediziner – nicht umsonst sei im Arbeitsschutzgesetz vorgeschrieben, nach zweistündigem Tragen eine Pause einzulegen. Selbst gesunde Menschen seien nach dieser Zeit körperlich erschöpft. Bei kranken oder älteren Menschen verstärke sich dies noch. Es bestehe die Gefahr, dass sich die Atemkapazität erschöpfe und es im schlimmsten Fall zu einem Kreislaufkollaps kommen könne.

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Für Laien ist ein ordnungsgemäßes Tragen schwierig umzusetzen

Podbielski sagt: "Es muss akzeptiert werden, wenn Personen aus medizinischen Gründen keine FFP2-Masken tragen können. Da muss dann auch eine normale reichen." Grundsätzlich sieht der Virologe zwar eine größere Schutzwirkung vor Viren bei den FFP2-Masken – sofern sie ordnungsgemäß getragen würden, was für Laien schwierig umzusetzen sei. Allerdings sei das Tragen im privaten Bereich "Schwachsinn" – sowohl auf der Straße, als auch beim Einkaufen oder im ÖPNV.

Experten zweifeln an dem Nutzen

Es gebe keine Studien, die etwa eine Notwendigkeit zum Tragen von FFP2-Masken im Öffentlichen Nahverkehr nahelegen würden. Zudem sieht Podbielski die Gefahr, dass durch diese Verschärfung, die für viele Menschen nicht nachvollziehbar sei, sinnvolle Maßnahmen zunehmend angezweifelt werden.

Bereits zuvor hatten Experten daran gezweifelt, ob das Tragen einer FFP2-Maske im Alltag einen großen Nutzen für den Infektionsschutz bietet. "Ich glaube nicht, dass das einen großen Unterschied macht", sagte etwa Johannes Knobloch, der Leiter des Bereichs Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf: "Im schlimmsten Fall kann sich die Lage sogar verschlechtern, weil sich die Leute geschützter fühlen und weniger vorsichtig sind."

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Gegenwind auch von politischer Seite

Andere Mediziner, darunter der Virologe Alexander Kekulé, halten das Tragen der Masken im öffentlichen Raum jedoch grundsätzlich für sinnvoll.

Auch aus der Oppostion im Landtag erhält Söder für die neue Maßnahme kräftigen Gegenwind. "Für eine solche Maßnahme bräuchte es schon aus epidemiologischer Sicht eine saubere Vorbereitung, die Menschen müssen geschult und Ausnahmen von der Tragepflicht definiert werden", sagt Bayern-SPD-Chefin Natascha Kohnen auf AZ-Anfrage. Sie frage sich, ob der Ministerpräsident die Empfehlungen des RKI vor "seinem Schnellschuss" überhaupt angesehen habe. Zudem kursierten im Internet reihenweise Masken von minderer oder fragwürdiger Qualität, Bartträger dürften eigentlich weder den ÖPNV nutzen noch einkaufen gehen, da die Masken bei ihnen nicht dicht genug anliegen können.

FDP fordert Freiwilligkeit und Kostenübernahme

Kohnens Forderung: Der Termin für die FFP2-Maskenpflicht müsse nach hinten geschoben werden, bis die offenen Fragen zufriedenstellend geklärt sind.

Die FDP-Fraktion spricht sich generell für eine Abschaffung der FFP2-Maskenpflicht aus: "FFP2-Masken sollten nur freiwillig getragen werden – und sie müssen kostenfrei sein", sagt der gesundheitspolitische Sprecher der FDP Bayern, Dominik Spitzer, auf AZ-Anfrage. Auch er sieht eine Tragepflicht für lungenkranke Patienten kritisch und rechnet damit, dass Hausarztpraxen nun mit deutlich mehr Menschen konfrontiert werden, die ein Befreiungsattest benötigen.

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  • Dimpfe am 23.01.2021 08:49 Uhr / Bewertung:

    Ich trage schon lange FFP2-Masken in Supermarkt&Co. Ich will MICH bestmöglich schützen und mit Stofflappen kann ich das nicht.

  • am 16.01.2021 11:04 Uhr / Bewertung:

    Ich habe das die letzten 6 Monate in einer kommunalen Pflegeeinrichtung selbst beobachtet: Zuerst kommen Besuchsverbot und und radikale Einschränkungen für die Bewohner. Masken und Tests für die Pflegekräfte gab es nicht. Desinfizieren der Tür-Klinken als Show-Massnahme zur Beruhigung der Bewohner. Wir fahren euch mit der Desinfektion auch über das Gesicht, wenn einer aufmuckt. Das Personal ist ein zusammen-gewürfelter Haufen von verkrachten Existenzen. Schlecht bezahlt, keinerlei Morivation bei der Arbeit, Rotz-Frech dabei. Die würden schon mit einem Sammel-Taxi zur Arbeit fahren, nur der Arbeitgeber müsste das zahlen. Stattdessen keine FFP2-Masken verfügbar, bis vor 6 Wochern. Und dann Gemurre - die Dinger sind so Lästig. Die Bewohner sind Scheiß-Egal. Mei bei der Bezahlung. "Ich mach das hier eh nur bis ich was anderes hab"; "Hier brauch ich nix arbeiten, hier is es gut" - Infektionsschutz? "Mir tut das Virus eh nix" - Alles Super bei den Kommunalen Einrichtungen, Wirklich?

  • am 16.01.2021 10:45 Uhr / Bewertung:

    Die Absonderung und Verbreitung von Geistigem Dünn-Schiss ist bei uns leider kein Straftatbestand. Leider ist das die Hauptursache für die Verbreitung vin Corona in Alten-Plege-Heimen, und damit den Großteil der Corona-Toten in München. Die schlecht bezahlten, oft ausländichen Pflege-Helfer fahren nicht mit dem Auto in die Arbeit, weil die einfach nicht das Geld für ein Auto haben. Sie fahren mit der MVG. Dort fangen sie sich das Virus ein und verbreiten es in den Heimen. Jetzt kommt der 'Dü.. von Bund und Kommune und betreibt die MVG einfach weiter - Ist ja absolut Systemrelevant trotz Total-Lockdown. Ein Voll-A.. von der MVG steht am Bahnsteig gibt Ratschläge statt frischer Masken ab. Die Po.. in die Stadt bekämpft fussballspielende Jugendlich im Engl. Garten, statt den MVG auf Vierenlast im Aerosol zu durchsuchen. Das Sind Die URSACHEN von der JETZIGEN Kriese mit Corona. Geistiger-Dünn-Schiss.

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