Streit um neue Wohn- und Gewerbegebiete auf dem Land
Ausgedehnte Flusslandschaften, eindrucksvolle Berge und satte Wiesen: Bayern rühmt sich gern seiner unberührten Natur. Dabei verwandelt das Land jährlich immer mehr Freiflächen in Betonwüste. Die Grünen im Landtag wollen das mit einer fixen Flächen-Verbrauchsobergrenze ändern. Einen entsprechenden Gesetzentwurf haben sie am Freitag vorgestellt.
Unter dem Begriff "Betonflut eindämmen – damit Bayern Heimat bleibt" hatte die Partei als Bündnis mit der ÖDP und dem Landesbund für Vogelschutz im vergangenen Jahr ein Volksbegehren initiiert. Die Forderung: eine verbindliche Fünf-Hektar-Höchstgrenze für den täglichen Flächenverbrauch in Bayern.
Jeder Bayer verbraucht jährlich 3,3 Quadratmeter
Nach Berechnungen des Landesamts für Statistik beträgt der aktuelle Verbrauch 11,7 Hektar pro Tag (Stand 2017). Demnach verbraucht jeder Bayer 3,3 Quadratmeter jährlich. Damit befindet sich der Freistaat nach Sachsen und Schleswig-Holstein im Bundesvergleich im oberen Drittel.
Das Grünen-Begehren in Bayern hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof wegen formaler Fehler vor knapp einem Jahr für unzulässig erklärt. "Ein schwarzer Tag", wie Ludwig Hartmann sagte, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Landtag. Schließlich hatten knapp 48.000 Menschen die Petition gegen den Flächenfraß unterschrieben. Mit dem neuerlichen Vorstoß wolle die Partei eine fixe Obergrenze nun "verfassungsfest" machen, so Hartmann. Dafür haben die Grünen mit Juristen des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in Leipzig zusammengearbeitet.
Flächenverbrauch soll gesenkt werden
Das Modell sieht vor, den Flächenverbrauch, also die Flächenneuinanspruchnahme für Siedlung und Verkehr, bis zum Jahr 2026 auf fünf Hektar pro Tag zu senken. Die Absenkung soll in Ein-Hektar-Schritten jährlich geschehen, beginnend mit zehn Hektar im Jahr 2021. Jeder Kommune wird dann nach einem Vergabeschlüssel, der sich an der Einwohnerzahl orientiert, ein Flächenbudget zugeschrieben.
Überörtliche Planungen oder privilegierte Bauvorhaben, wie der Brenner-Basistunnel, sind von der Regelung ausgenommen. Auch ein Kontingent für Härtefälle oder Notlagen soll es geben. Beispielhaft nennen die Grünen den Neubau des "Galileo"-Forschungszentrums in Garching. "Über einen kommunalen Bebauungsplan würde ein Gebiet mit mehr als 2,5 Hektar ausgewiesen, aufgrund der Bedeutung des Projekts, wäre die Einordnung als Härtefall sinnvoll", sagte Christian Zwanziger, Grünen-Sprecher für Landesentwicklung.
"Wir müssen Flächen sparen, ohne Wohnungsbau und Gewerbeansiedlung zu verhindern"
Ihr Budget dürfen die Kommunen dem Entwurf nach selbst verwalten, zusammenlegen oder gar ansparen. Kleine Gemeinden sollen bei dem Prinzip nicht benachteiligt werden. Im Vergleich zu größeren Kommunen erhalten sie über eine Einteilung in 20 verschiedene Größenklassen sogar mehr Quadratmeter pro Jahr und Einwohner. Der Zuteilungsschlüssel soll alle drei Jahre neu ermittelt werden. Somit könne auf aktuelle Entwicklungen reagiert werden, sagte Zwanziger.
Bereits vor Veröffentlichung des Entwurfs äußerte sich Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler): "Strikte Kontingente sind nicht zielführend und würden viel Streit auslösen, es gibt keine gerechte Formel." Er hält die Aktion für Panikmache, Verbote seien falsch. "Wir müssen Flächen sparen, ohne Wohnungsbau und Gewerbeansiedlung zu verhindern", sagte er.
Ähnlich kritisch sieht das die FDP. "Indem die Grünen ständig von ‚Betonflut’ sprechen, schüren sie wider besseren Wissens Emotionen", sagte der kommunalpolitische Sprecher der Fraktion, Alexander Muthmann. Gemeindetagspräsident Uwe Brandl (CSU) warf den Grünen vor, sich wie ein "Zuchtmeister der bayerischen Gemeinden und Städte" aufzuführen. Noch wollen die Grünen abwarten, wie der Entwurf im Gremium ankommt. Sollte er abgeschmettert werden, ist ein neuerliches Volksbegehren denkbar.
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