Pro-bayerische Strompolitik: Söder feiert "Ende der Benachteiligung"

Bundeswirtschaftsministerin Reiche verspricht eine Strompolitik im Sinne des Freistaats. Regierungschef Markus Söder feiert das – die Grünen sehen die Pläne kritisch.
von  Ralf Müller
Markus Söder (CSU) mit Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) am Tegernsee. Söder ist erfreut über die Pläne der neuen Wirtschaftsministerin.
Markus Söder (CSU) mit Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) am Tegernsee. Söder ist erfreut über die Pläne der neuen Wirtschaftsministerin. © Peter Kneffel/dpa

Ein wenig Nachtreten gehört für Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) beim Empfang der neuen Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) dazu: Von ihrem Vorgänger Robert Habeck (Grüne) habe man immer nur "Nord, Nord, Nord" gehört, sagte Söder am Montag nach Ende einer zweitägigen Kabinettsklausur in Sankt Quirin am Tegernsee. Jetzt habe man den Eindruck, "dass auch der Süden dazugehört".

Das bedeute nicht weniger als "das Ende der Benachteiligung Bayerns". Von der Habeck-Nachfolgerin hörten Söder und sein Kabinett in erster Linie das Gewünschte in Sachen Energiepolitik. Reiche versprach, zwei Drittel der geplanten Gaskraftwerke-Kapazitäten von insgesamt 20 Gigawatt "im Süden" zu bauen.

Grünen-Vorsitzende: "Eine Bankrotterklärung für langfristig bezahlbare Strompreise"

Die Kraftwerke sollen dann einspringen, wenn Sonne, Wind und andere erneuerbare Energiequellen nicht genügend Strom liefern. "Völlig überdimensioniert", sagte die Vorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag, Katharina Schulze. Die Pläne seien "eine Bankrotterklärung für langfristig bezahlbare Strompreise und das Klima". Reservekraftwerke seien zwar notwendig, "aber nicht in dieser Größenordnung".

Chefin der bayerischen Grünen, Katharina Schulze, kritisiert die Pläne der neuen Wirtschaftsministerin.
Chefin der bayerischen Grünen, Katharina Schulze, kritisiert die Pläne der neuen Wirtschaftsministerin. © Sven Hoppe/dpa

Noch vor der Sommerpause will das Bundeskabinett laut Reiche Maßnahmen zu günstigeren Strompreisen umsetzen. Das Bundeskabinett werde unter anderem die Senkung der Stromsteuer, die Entlastung von Netzentgelten und Gasspeicher-Umlage beschließen.

Als eine Verbeugung vor dem gastgebenden Freistaat erledigte Reiche gleich auch den bayerischen "Werbeblock" (Söder) mit. Bayern sei ein wirtschaftliches Schwergewicht in Deutschland und könnte als eigenständiger Staat mehr auf die Waage bringen als Belgien und Schweden, schmeichelte die CDU-Politikerin den Gastgebern.

Hubert Aiwanger: "Neue Ära der Zusammenarbeit zwischen Bayern und Berlin"

Endlich ein Bundesminister, der den Bayern nicht sage, wo es langgehen solle, sondern wie man dem Freistaat helfen könne, so Söder. Auch Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sah "eine neue Ära der Zusammenarbeit zwischen Bayern und Berlin" heraufziehen.

Hubert Aiwanger (Freie Wähler), stellvertretender Ministerpräsident und bayerischer Wirtschaftsminister. Er lobt die "neue Ära der Zusammenarbeit zwischen Bayern und Berlin".
Hubert Aiwanger (Freie Wähler), stellvertretender Ministerpräsident und bayerischer Wirtschaftsminister. Er lobt die "neue Ära der Zusammenarbeit zwischen Bayern und Berlin". © picture alliance/dpa

Eine "Haushaltsklausur" sei die Kabinettstagung am Tegernsee nicht gewesen, sagte Söder. Dennoch hat man sich schon über die Finanzierung des Freistaats nach 2025 Gedanken gemacht. Die Lockerung der Schuldenbremse um 0,35 Prozent für Bund und Länder könnte Bayern eine Schuldenaufnahme von zwei Milliarden Euro in diesem Jahr ermöglichen, dachte Söder laut nach.

Eine Entscheidung darüber werde im Herbst getroffen, wenn die Zahlen der Herbst-Steuerschätzung vorliegen. "Nichts ist ausgeschlossen."

Aus dem für die Länder vorgesehenen Teil des Sonderinvestitionsprogramms des Bundes fließen dem Freistaat bis 2037 jährlich 1,3 Milliarden Euro zu. Außerdem hofft die Staatsregierung auf Entlastung bei den Ausgaben für die Migration.

Staatshaushalt ist angespannt wegen weniger Steuern

Auf der anderen Seite ist der Staatshaushalt angespannt, weil die jüngste Steuerschätzung nicht wie in früheren Jahren üblich steigende, sondern leicht sinkende Einnahmen prognostizierte. Zusätzliche Ausgabenschwerpunkte will die Staatsregierung laut Söder bei der Kinderbetreuung und dem Wohnungsbau sowie bei der Digitalisierung der Schulen setzen. Allerdings werde man den Schülern erst ab der achten Klasse Computer in die Hand geben, sagte Söder. Vorher hätten Rechnen, Lesen und vor allem auch das Schreiben Priorität.

Die Kinderbetreuung im Freistaat müsse verbessert werden, schon weil dies die moderne Arbeitswelt erfordere, sagte Söder. Dabei ist es Ziel, die Zahl der "Teamkräfte" an den Kitas bis 2029 auf 15.000 zu erhöhen, sodass das pädagogische Personal von Verwaltungstätigkeit entlastet werde. Ab dem Jahr 2026 plant die Söder-Regierung die Einführung eines einmaligen Familiengelds von 3000 Euro.

Grünen-Chefin wirft Söder Heuchelei vor

"Jeder Euro, der mehr in die Kinderbetreuung investiert wird, ist ein gut investierter Euro", so die Grünen-Fraktionschefin Schulze: "Aber es ist schon etwas heuchlerisch von Markus Söder, sich jetzt als der große Kita-Investor aufzuspielen, während er den Familien in Bayern parallel das Krippen- und Familiengeld zusammenstreicht."

Bayern werde "natürlich" an der geplanten zwingenden finanziellen Beteiligung von Bürgern an neuen Windenergieanlagen festhalten, sagte Söder weiter. Die Details des neuen Bürgerbeteiligungsgesetzes würden gerade erarbeitet. Anderslautende Befürchtungen nannte er "grüne Panikmache".

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