Nürnbergs Altstadt wählte Grün
Rathaus-Statistik: Bei Frauen zwischen 35 und 45 Jahren liegt die Öko-Partei bei der Europawahl sogar stadtweit vorne. CSU und SPD konnten nicht mobilisieren.
NÜRNBERG Analysen kommen meist dann, wenn es schon zu spät ist. Warum beispielsweise die Nürnberger SPD bei der Europawahl am Sonntag auf einem historischen Tiefstand von 20,8 Prozent landete, kann sich Parteichef Christian Vogel jetzt vom städtischen Statistik-Chef Wolf Schäfer erklären lassen.
Dem reinen Stimmenverlust von 1,7 Prozent steht eine gewaltige Zahl an traditionellen SPD-Wählern gegenüber, die erst gar nicht wählen gingen. Was natürlich nicht nur der SPD Kopfschmerzen bereiten sollte, sondern auch der CSU, deren 34,4 Nürnberger Prozente angesichts eines Verlusts von 11,5 Prozent im Vergleich zur EU-Wahl von 2004 nicht minder dramatisch erscheinen. So konnten die Christsozialen gerade mal 50 Prozent ihres Wählerpotenzials an die Urnen locken, die SPD sogar nur 33 Prozent. Besonders besorgniserregend für die Genossen ist, dass in roten Stamm-Quartieren die Beteiligung enorm niedrig war: So nahmen in Gibitzenhof gerade mal 25,7 Prozent der Wahlberechtigten von ihrem Stimmrecht Gebrauch.
Klare grüne Siege in Gostenhof und Himpfelshof
Ganz anders als bei den großen Volksparteien sieht es bei den Grünen aus: Mit nur 0,6 Prozent Verlusten avancierte die Öko-Partei in Nürnberg zur drittstärksten Kraft mit 15,4 Prozent Stimmen. Ihr Mobilisierungsgrad lag bei satten 83,5 Prozent! Neben den klaren Wahlsiegen im grünen Kernland wie Gostenhof (28,8 Prozent) oder Himpfelshof (29,1 Prozent), darf sich Nürnbergs Parteiführung über die konstant guten Zahlen in der Altstadt freuen – innerhalb der Stadtmauern tickt Nürnberg immer grüner: So avancierte die vermeintliche Alternativ-Partei in St. Lorenz mit 21,8 Prozent vier Punkte vor der SPD zur zweitstärksten Kraft. Ähnlich in Sebald mit 21, 3 Prozent. Erneut sehr erfolgreich waren die Grünen auch in St. Johannis (23,2 Prozent, über drei Prozent vor der SPD) und in der Pirckheimer Straße (21,9 Prozent). Übrigens: Wären nur Frauen zwischen 35 und 45 wahlberechtigt, dürften sich die Grünen als stärkste Kraft feiern – liegen sie bei diesen Wählerinnen doch deutlich vor allen anderen Parteien.
Nur die Grünen und die FDP mobilisierten ihre Stammwähler
Als großer Wahlgewinner darf – obwohl es die Freien Wähler bei ihrer EU-Premiere in Nürnberg aus dem Stand auf 5,8 Prozent gebracht haben, und die Linke um 2 Prozent auf 4,5 zulegen konnte – die FDP bezeichnet werden: Um satte 5,7 Prozent konnten die Freien Demokraten auf 9,4 Prozent zulegen: Partei-Vorsitzende Christiane Alberternst hat es mit ihrem Team wie die Kollegen von den Grünen geschafft, die eigene Klientel passabel zu mobilisieren: Immerhin 63 Prozent der Stammwählerschaft zog es an die Urnen. Besonders erfolgreich sind die Liberalen im gutsituierten Nürnberger Osten wie in Erlenstegen (15,7 Prozent).
Neben den herben Verlusten der Volksparteien bringt die Aufwertung der Briefwähler-Stimmen eine weitere Überraschung zu Tage: Galt die Briefwahl immer als feste Bank der Christsozialen, rutschten sie in diesem Segment mit 33,5 Prozent der Stimmen unter das der Urnenwähler (34,8 Prozent). Punkten konnten hingegen auch hier die Grünen und die Gelben: 16,7 Prozent der Briefwähler stimmten für Grün, 11,3 Prozent für die FDP.
Steffen Windschall
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