Interview

Neuer Tourismus-Koordinator Janecek: "Kunstschnee ist weder Heilsbringer noch Katastrophe"

Der Münchner Grüne Dieter Janecek ist jetzt Tourismus-Koordinator der Bundesregierung. Wie er die Zukunft des Wintersports im Alpenraum sieht.
Natalie Kettinger
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Eine Schneekanone produziert an einer Skipiste am Fuß des Tegelberges bei Schwangau Schnee.
Eine Schneekanone produziert an einer Skipiste am Fuß des Tegelberges bei Schwangau Schnee. © Karl-Josef Hildenbrand (dpa)

AZ-Interview mit Dieter Janecek: Der 46-jährige Grünen-Bundestagsabgeordnete aus München ist neuer Tourismus-Koordinator der Bundesregierung.

AZ: Herr Janecek, Sie sind seit Kurzem Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft und Tourismus. Was ist unter dieser Job-Beschreibung konkret zu verstehen?
DIETER JANECEK: Die Bundesregierung hat mich beauftragt, für gleich zwei große Themenbereiche koordinierend zu wirken. Das eine ist die maritime Wirtschaft, also alles vom Schiffsbau, Meerestechnik, den Werftenstandorten bis hin zu der Entwicklung der Häfen und dem Ausbau der Offshore Windenergie. Ein großer Schwerpunkt dort wird auch der Wandel der Schifffahrt hin zu klimaneutralen Antrieben sein. Das andere große Feld ist die Tourismuswirtschaft mit rund drei Millionen Beschäftigten in Deutschland, die unter dem zunehmenden Fachkräftemangel leidet und unter dem Eindruck der fortschreitenden Klimakrise auch neue Perspektiven sucht. Zurzeit führe ich zum Beispiel Runde Tische mit Wintersportdestinationen durch, die wegen der fehlenden Schneesicherheit neue Ideen für touristische Angebote entwickeln müssen.

Sie leben in München, was bekanntlich nicht direkt am Meer liegt. Welche maritimen Kenntnisse bringen Sie mit?
Robert Habeck hat mich mit dieser Aufgabe vor allem deshalb betraut, weil ich viel Erfahrung in der Wirtschafts- und Industriepolitik mitbringe. Fast zehn Jahre war ich Mitglied im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages, zuletzt als Leiter der Arbeitsgruppe Wirtschaft der grünen Bundestagsfraktion. Die größten Herausforderungen der maritimen Wirtschaft - Fachkräftemangel, der Weg zur Klimaneutralität, internationale Wettbewerbsfähigkeit - sind mir daher bereits aus anderen Industriebereichen sehr vertraut. In Bayern und Baden-Württemberg sitzen Zulieferbetriebe mit über 50 Prozent der Wertschöpfung im Land für die maritime Wirtschaft, unter anderem der weltgrößte Hersteller von Schiffsmotoren am Standort Augsburg. Insofern gibt es mehrere Anknüpfungspunkte aus meiner bisherigen Tätigkeit.

"Klimaschutz sollte zum Markenkern der Regionen werden"

In Bayern ist die Zukunft des Winter-Tourismus aktuell ein heißes Thema. Wird Skifahren in zehn Jahren hier noch möglich sein?
Das Skifahren hat weiterhin eine Zukunft und für viele Menschen, nicht nur in Bayern, hat es auch einen hohen emotionalen Wert. Zudem ist es ein großartiges Bewegungs- und Sportangebot für Erwachsene, besonders auch für Kinder - insbesondere jetzt nach den Einschränkungen in der Corona-Krise. Gleichzeitig wissen wir, dass das Fortschreiten der Klimakrise immer mehr Wetterextreme auslöst und wir Skigebiete insbesondere unter 1500 Meter Höhe kaum noch verlässlich planen können, wie ja der aktuelle sehr schneearme Winter zeigt. Darauf müssen wir uns einstellen. Daher unterstützt die Bundesregierung auch ein Regionalprojekt, in dem Lösungen für solche Mittelgebirgsregionen ausgelotet werden. Sich an die neuen Klimabedingungen anzupassen, ist gerade für diese touristischen Gegenden enorm wichtig.

 

Was raten Sie klassischen Wintersport-Regionen hinsichtlich der Auswirkungen des Klimawandels?
Vor Ort gibt es ja bereits sehr viele Initiativen, das Angebot vielfältiger zu gestalten. Der Skitourismus in Garmisch-Patenkirchen zum Beispiel ist dort zwar ein wichtiger Aspekt, aber es gibt auch viele andere gute Gründe, in die Region zu kommen. Die Alpen sind ja bekanntermaßen ganzjährig eine wunderschöne Destination, nicht nur in den Weihnachtsferien. Es geht um naturnahen Tourismus mit modernen Wanderwegen, Wald- und Naturerlebnissen, natürlich auch um Kultur- und Wellnessangebote. Mein Wunsch wäre, dass wir den Klimaschutz als Markenkern für die Wintersportregionen herausarbeiten und hier eine Vorbildfunktion einnehmen.

Passen Schneekanonen zum grünen Gewissen?

Anders als viele Ihrer Partei-Freunde lehnen Sie Schneekanonen nicht prinzipiell ab. Wie passt das zum grünen Gewissen, wo die Geräte doch Unmengen an Wasser und Energie verbrauchen?
Schneekanonen sind nun mal eine Realität in vielen Wintersportgebieten, und es wird stetig an einer Verbesserung der Klima- und Umweltbilanz gearbeitet. Dass sie ein Eingriff in die Landschaft bleiben, dass sie viel Wasser und Energie verbrauchen, ist ebenso Tatsache. Da die Temperaturen in den Alpen sehr wahrscheinlich noch stärker ansteigen als im globalen Durchschnitt, sind sie für viele Regionen mittelfristig also ohnehin ein Auslaufmodell.

Die Staatsregierung will am Förderprogramm für Lift- und Beschneiungsanlagen festhalten. Die Landtagsgrünen sind strikt dagegen - und Sie?
Für die Förderkulisse sind die L

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änder verantwortlich. Die Erneuerung der Seilbahnanlagen hilft sicher, Tourismusdestinationen zu stärken. Bayern hat sich darüber hinaus entschieden, Beschneiungsanlagen mit Steuergeldern zu fördern. Ob das wirklich eine nachhaltige Investition ist, darüber wird nicht nur in Bayern intensiv diskutiert.

Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger sieht in Kunstschnee einen regelrechten Heilsbringer, weil er die darunter verborgenen Pflanzen vor Frost schützt. Gehen Sie da mit?
Die Debatte um den Kunstschnee wird leider oft sehr polarisierend geführt. Weder ist er ein Heilsbringer noch zwangsläufig eine ökologische Katastrophe. Die Bilder von weißen Pisten inmitten grüner Hügel aus diesem Winter, sind sicher keine glänzende Werbung für den Wintersport. Was wir brauchen, sind tragfähige und nachhaltige Konzepte für den Alpenraum, die in den nächsten zehn bis 20 Jahren neue Perspektiven öffnen.

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