Mordfall Hanna: Was die untersuchende Ärztin besonders merkwürdig fand

Im Prozess zum Mord an Hanna W. aus Aschau werden die detaillierten Gutachten vorgestellt. Die junge Frau hatte 2,06 Promille im Blut und ungeklärte Rissquetschwunden am Kopf.
Monika Kretzmer-Diepold |
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Elisabeth Nützel und Jiri Adamec berichteten am Donnerstag über die Ergebnisse der Obduktion.
Elisabeth Nützel und Jiri Adamec berichteten am Donnerstag über die Ergebnisse der Obduktion. © Kretzmer

Traunstein - Fünf auffällig gleichförmige Rissquetschwunden, gleichmäßig verteilt auf dem Kopf der Leiche von Hanna W., gehen zurück auf eine "Gewalteinwirkung von außen" - wodurch, ist nicht sicher festzustellen. Ein Stein als Tatwerkzeug wäre möglich. Das war ein Ergebnis aus einer Reihe rechtsmedizinischer Gutachten im Traunsteiner Mordprozess gegen Sebastian T. (21).

Der Auszubildende soll die 23-jährige Studentin am 3. Oktober 2022 auf deren Heimweg von der Disco Eiskeller in Aschau niedergeschlagen und die Bewusstlose in den Bärbach geworfen haben. Die junge Frau ertrank.

Hanna W. trug Turnschuhe, aber keine Hose – eine Wunde fiel direkt ins Auge

Die erste Leichenschau wegen der Todesursache nahm damals eine Ärztin aus Prien vor. Merkwürdig fand sie: "Die Verstorbene trug fest zugeschnürte Turnschuhe, aber außer einem Slip keine Hose." Eine Wunde an der Stirn fiel ins Auge. In einem Bestattungsinstitut in Prien wurde die Tote entkleidet. Da erst waren – neben einem Stempel am Arm mit dem Aufdruck "Eiskeller", der später zur Identifizierung führte – multiple Verletzungen sichtbar. Die 70-Jährige hielt in der Leichenbescheinigung "Verdacht auf Ertrinkungstod" fest.

Der Angeklagte hört den Vorträgen sichtlich interessiert zu  

Aufmerksam, sichtlich interessiert, fast angespannt verfolgte der weiterhin schweigende Angeklagte am Donnerstag die Vorträge der Sachverständigen vom Rechtsmedizinischen Institut an der Universität München. Die Toxikologin Gabriele Roider konnte bei der Toten Chinin und Koffein, aufgenommen in Drinks und Kaffee, sowie das Schmerzmittel Ibuprofen in geringer Dosis nachweisen. Nichts deutete auf die Einnahme von anderen Medikamenten und auf Drogen jeglicher Art hin. Dazu wurde eine Alkoholkonzentration im Blut von 2,06 Promille registriert.

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Gutachterin: "Schwellungen, Rötungen, kräftige Abschürfungen und Einblutungen am ganzen Körper"

Professorin Elisabeth Mützel ging auf die von einer Hausmeisterin geschilderten "roten Kratzer" am Unterarm des 21-Jährigen am 7. Oktober 2022 ein. Die Gutachterin sah keinen Zusammenhang zwischen diesen wohl nur ein bis zwei Tage alten Verletzungen und dem Verbrechen an Hanna.

Bei der Obduktion der 1,86 Meter großen Frau stellte die Professorin fast am ganzen Körper Schwellungen, Rötungen, kräftige Abschürfungen und Einblutungen fest. Die Verletzungen waren allerdings zeitlich nicht einzuordnen, konnten vor, während und nach dem Tod der Studentin entstanden sein.

Massive Verletzung am Rücken war äußerlich zunächst nicht zu sehen

Eine massive Verletzung am Rücken war äußerlich zunächst nicht zu sehen. Der fünfte Halswirbelkörper rechts war gebrochen. Unerklärlich waren nach Worten der Sachverständigen die beidseitigen Brüche des Schulterdachs. Für Griffverletzungen an den Armen und Hinweise auf ein Kampfgeschehen fehlten entsprechende Befunde.

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Zusammenfassend meinte Mützel, viele der an Hanna entdeckten Verletzungen könnten beim Treiben im Wasser entstanden sein, andere auch durch "Zug", zum Beispiel durch die Halsketten Hannas, die sich vielleicht irgendwo verfangen hatten. Eigenartig seien jedoch die beidseitigen symmetrischen Frakturen im Schulterbereich zusammen mit der Rückenverletzung.

"Das sind keine typischen Treibverletzungen. Dazu bedarf es einer stumpfen Gewalteinwirkung"

"Das sind keine typischen Treibverletzungen. Dazu bedarf es einer stumpfen Gewalteinwirkung. Vorstellbar ist ein Knien oder Springen auf die in Bauchlage befindliche Frau."

"Nicht als Treibverletzungen" wertete die Gutachterin die fünf gleichförmigen Wunden auf dem Kopf. Sie könnten auch nicht durch deren Handy gesetzt worden sein. Eine abschließende Bewertung sei aber nicht möglich. Entscheidend sei aus ihrer Sicht die Kombination der Verletzungen.

Hanna W. hatte wohl keine Chance mehr, aus dem Wasser zu kommen

Zu der hohen Alkoholisierung der Verstorbenen nach Vorglühen bei Freunden und weiterem Alkoholkonsum im Eiskeller konstatierte die Rechtsmedizinerin, die junge Frau sei "durchaus alkoholgewöhnt" gewesen.

Durch den Alkohol könne der Tod durch Ertrinken schneller eintreten: "Ertrinken dauert vier bis fünf Minuten oder länger. Durch die Kälte des Wassers mit zehn Grad und durch den Alkohol hatte die Frau keine Chance mehr, aus dem Wasser zu kommen."

Richterin Jacqueline Aßbichler wollte mehr wissen zu der von den Staatsanwälten in der Anklage angenommenen Bewusstlosigkeit beim Eintritt ins Wasser. Die Sachverständige dazu wörtlich: "Ob Hanna bewusstlos war, kann ich nicht sagen. Sie muss nicht zwingend bewusstlos gewesen sein." Der Prozess geht am Mittwoch, 29. November, weiter.

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