Maßgeschneiderter Schutz – Eschenlohe von Fluten verschont

Erst wollten sie ihn nicht, jetzt sind sie heilfroh. Dreimal wurde Eschenlohe seit 1999 vom Hochwasser heimgesucht. Danach bekam der oberbayerische Ferienort einen maßgeschneiderten Hochwasserschutz. Sogar eine neue Brücke über die Loisach gab es.
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ARCHIV - Passanten beobachten am 05.09.2006 in der oberbayerischen Ortschaft Eschenlohe im Landkreis Garmisch-Partenkirchen am Ufer des Fluss Loisach den Bau von Hochwasserschutzdeichen und einer Brücke.
dpa ARCHIV - Passanten beobachten am 05.09.2006 in der oberbayerischen Ortschaft Eschenlohe im Landkreis Garmisch-Partenkirchen am Ufer des Fluss Loisach den Bau von Hochwasserschutzdeichen und einer Brücke.

Erst wollten sie ihn nicht, jetzt sind sie heilfroh. Dreimal wurde Eschenlohe seit 1999 vom Hochwasser heimgesucht. Danach bekam der oberbayerische Ferienort einen maßgeschneiderten Hochwasserschutz. Sogar eine neue Brücke über die Loisach gab es.

Eschenlohe – Zwar hat das Wasser der Loisach noch immer eine schmutzig-braune Farbe, aber der Fluss schlängelt sich in seinem wuchtigen Bett gemächlich durch den Ort. Die Einwohner von Eschenlohe gehen über die Brücke und scheinen gar nicht zu registrieren, dass der Pegelstand eine Woche nach Beginn des jüngsten verheerenden Hochwassers noch immer einen Meter über normal ist. „3,20 Meter war der Höchststand am Montag“, sagt ein zufriedener Bürgermeister Anton Kölbl (CSU) am Freitag im Rathaus. Und es wäre noch viel Raum nach oben gewesen. Wäre der Hochwasserschutz 2007 aber nicht gekommen, hätte es das oberbayerische Alpendorf erneut schlimm erwischt.

„Ich bin froh, dass Bilder wie dieser Tage aus Passau und Deggendorf in unserer Gemeinde hoffentlich für immer der Vergangenheit angehören“, erläutert der 54-Jährige. Der Ferienort nahe Garmisch-Partenkirchen war bei den Hochwasser-Katastrophen 1999 und 2005 total überflutet worden. Die Loisach brach aus ihrem damals noch unverbauten Bett und spülte Unmengen Wasser in Häuser und Straßen, auf Wiesen und Felder. Viele Gebäude mussten evakuiert werden, etliche Menschen verloren ihr Hab und Gut gleich zweimal - und das im Abstand von nur sechs Jahren. Beim Hochwasser 2002 entging das 1500-Seelen-Dorf diesem Schicksal nur ganz knapp.

Schreinermeister Kölbl, seit 2008 Bürgermeister im Nebenberuf, erinnert sich noch genau an die Hochwasser. Er ist großgeworden mit dem Wasser im Dorf. „Als Kinder fanden wir es toll, mit dem Schlauchboot im Hausgang herumzufahren.“ Hochwasser gehörten zu Eschenlohe wie das Oktoberfest zu München. Als Erwachsener fand er es freilich nicht mehr so lustig, „nur dafür zu arbeiten, dass man beim nächsten Hochwasser die Schäden wieder bezahlen kann“.

Vier Wochen nach der Flut 1999 stand der damalige Kanzleramtsminister Bodo Hombach (SPD) im Betrieb von Kölbl, der zugleich Feuerwehrkommandant von Eschenlohe war. 30 Zentimeter hatte das Wasser in der Werkstatt gestanden. Als es abgeflossen war, blieb eine dicke Schlammschicht zurück. Danach trieb Schimmel an den Wänden dem Handwerksmeister die Sorgenfalten in die Stirn. Hombach hörte geduldig zu, als Kölbl den Schaden allein in seinem Betrieb auf mindestens 300 000 Mark schätzte. Versichert war nichts. Obwohl das Hochwasser zum Leben in Eschenlohe regelrecht dazugehörte, passierte all die Jahrzehnte nichts.

Das Wasserwirtschaftsamt in Weilheim legte der Gemeinde seit 1967 sieben verschiedene Entwürfe für den Hochwasserschutz vor – keiner wurde umgesetzt. „Kaum wurde im Gemeinderat darüber abgestimmt, gingen schon wieder Unterschriftenlisten im Dorf rum“, erinnert sich Kölbl. Manchen sei der unverbaute Blick auf den Fluss wichtiger gewesen als der Schutz vor den Fluten. Dabei sei die Zukunft Eschenlohes ohne Hochwasserkatastrophen bei allen Versammlungen im Ort immer Thema Nummer eins gewesen.

Die Gemeinde musste offensichtlich erneut unter Wasser stehen, bis endlich ein Umdenken erfolgte. Denn nach der Katastrophe 2005 ging es plötzlich ganz schnell. Kölbl erinnert sich, wie der damalige bayerische Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU) noch während der Aufräumungsarbeiten „im Sitzungssaal saß und auf einem Notizzettel notierte, wie viel Geld wir brauchen“. Am 1. Juni 2006 kam der seinerzeitige Umweltminister Werner Schnappauf (CSU) nach Eschenlohe und gab den Startschuss für den sechs Millionen Euro teuren Hochwasserschutz. Freistaat und EU beteiligten sich fürstlich.

Der Minister schwärmte vor laufender Kamera von der „größten wasserwirtschaftlichen Baumaßnahme an der Loisach“. Dies bedeutete freilich, dass die Loisach künftig weit weniger idyllisch durch den Ort fließen würde. 1000 Meter Mauer, 3,6 Kilometer Ufersicherung aus 40 000 Tonnen Steinen, erhöhter Deich auf vier Kilometer Länge – ein malerischer Gebirgsbach sieht anders aus. Auch die neue Brücke, die beide Dorfteile miteinander verbindet und ohne Pfeiler auskommt, ist eher funktional geraten.

Zur feierlichen Übergabe des Hochwasserschutzes nur ein Jahr darauf suchte sich Schnappauf eigens einen spätsommerlichen Sonntag aus. „Was lange währt, wird endlich gut“, sagte er am 16. September 2007 und sprach von einem „maßgeschneiderten Hochwasserschutz“. Schon zuvor hatte ein Vertreter des Wasserwirtschaftsamtes bei einer Baustellenbesichtigung festgestellt: „Wir haben einiges bewerkstelligt. Ein Hochwasser wie das vom vergangenen Jahr könnte dem Ort nichts mehr anhaben.“

Der Mann sollte recht behalten. Das jüngste Hochwasser hat Eschenlohe jedenfalls verschont. „Der Hochwasserschutz ist auf einen Pegelhöchststand von 4,10 Meter ausgelegt“, bilanziert der Rathauschef. Und selbst dann ist noch eine Reserve vorhanden. Die Zählung auf dem Pegel hört erst bei 4,90 Metern auf. „Sie werden im Ort heute kaum mehr jemanden finden, der gegen den Hochwasserschutz ist“, glaubt Kölbl.

„Mir ist egal, wie das Loisachufer jetzt aussieht – Hauptsache, wir bleiben trocken“, sagt denn auch Waltraud Reiter vom Gasthof „Zur Brücke“. Den Hochwasserschutz nennt die Wirtin von Gaststätte und Hotel einfach nur „super“. Denjenigen im Dorf, die das Projekt durchgesetzt haben, „gebührt großer Dank“. Und Monika Oswald, die eine Ferienwohnung im Ort vermietet, meint beim Blick auf den Loisachdamm: „Freilich war es vorher schöner. Aber mir ist nicht so wichtig, wie es aussieht, sondern, dass es seinen Zweck erfüllt.“

 

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