Kommunalwahl ohne klare Sieger
München/Nürnberg (dpa/lby) - Wäre es eine normale Wahl gewesen, hätte es am Montag nach der Kommunalwahl in Bayern zumindest in Interviews und Talkshows jede Menge Sieger gegeben: Die CSU etwa, die ihre Position als Nummer eins im ländlichen Raum festigen konnte und Parteichef Markus Söder zu dem Fazit brachte: "Besser als gedacht." Die SPD, für die es dank ihrer noch immer vorhandenen Stärke in Bayerns Städten längst nicht so schlimm kam, wie der Bundestrend vorhersagte.
Die Grünen, die zwar anders als etwa in Baden-Württemberg in keiner Großstadt den Oberbürgermeister stellen werden, aber in den Kommunalparlamenten deutlich wachsen dürften. "Ohne uns wird nichts mehr gehen", sagte Landeschefin Eva Lettenbauer. Selbst die Linke, die mehr Ratssitze bekommt als je zuvor, und die AfD, die erstmals Vertreter in einige Kommunalvertretungen entsenden wird, durften sich irgendwie Freude.
Es war aber keine normale Wahl: Die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus und das damit verbundene Umschalten in den Krisenmodus hat Bayern im Griff. Zwar liegt die Wahlbeteiligung - trotz oder wegen Corona - um fast neun Prozentpunkte über der vor sechs Jahren. Der Wahlausgang gerät aber vielerorts fast zur Nebensache, tritt zurück hinter die Frage: "Wie organisiere ich eigentlich meinen Alltag." Die Bürgermeister leiten am Montag Krisenstäbe statt Wahlergebnisse zu analysieren.
Die Parteichefs der Etablierten, Markus Söder und SPD-Landeschefin Natascha Kohnen, beeilten sich, auch mit Blick auf die in knapp zwei Wochen folgenden Stichwahlen, mit der Feststellung: In der Krise wählt der Bayer etwas Verlässliches. "Wir haben schon in harten Zeiten in diesem Land gezeigt, dass man Stabilität wahren kann", sagte Kohnen. Söder sagte, wenn es hart auf hart komme, seien Experimente, etwa mit den Grünen, beim Wähler nicht gefragt.
Die Grünen waren schon im Wahlkampf eine der Haupt-Zielscheiben des Ministerpräsidenten. Sie sind aber nur auf den ersten Blick auf der Verliererseite. Dass es Katrin Habenschaden - in München lange Zeit als Geheimfavoritin gehandelt - nicht einmal in die Stichwahl geschafft hat, ist zweifellos als Enttäuschung anzusehen. Auch in anderen Städten mit grünen Hoffnungsträgern reichte es nicht, darunter Würzburg und Nürnberg. Wohl auch deswegen, weil der Klimaschutz als Über-Thema von der Corona-Krise abgelöst wurde.
Der Miesbacher Landrat Wolfgang Rzehak braucht ein kleines Wunder, will er die mehr als neun Prozent Rückstand auf den CSU-Mann Olaf von Löwis aufholen und sein Amt behalten. Der zweite 2014 in Bayern gewählte Grünen-Landrat, Jans Marco Scherf aus Miltenberg, wusste dagegen zu überzeugen: Mit fast 70 Prozent der Stimmen sicherte er sich seinen Job. Und auch in vielen Kommunalparlamenten ging es für die Grünen bergauf. Sie werden vermutlich viel mehr Mandatsträger stellen, als noch 2014, und in der Hauptstadt München wohl sogar zur stärksten Kraft im Stadtrat aufsteigen. Die viel zitierte "Grüne Welle" - sie kam dennoch eher als kleinerer Schwall daher.
Bei der SPD macht Parteichefin Natascha Kohnen einen gelösten Eindruck, als sie im Nürnberger Literaturhaus vor die Medien tritt. Ihre Genossen werden zwar die 4800 Mandate in Stadt-, Kreis- und Gemeinderäten, die sie vor sechs Jahren errungen haben, bei weitem nicht halten können und in der Summe genauso wie die CSU bei der Zahl der Kommunalvertreter verlieren.
Ausreichend viele SPD-Kommunalpolitiker landauf landab haben ihrer Vorsitzenden dennoch genug Stoff geliefert, Positives zu vermelden. Thomas Jung gehört dazu: Der Fürther Oberbürgermeister, seit 18 Jahren im Amt, holt 73 Prozent der Stimmen - und im Fürther Stadtrat macht die SPD noch einmal 43 Prozent. "Das wohl beste Ergebnis in einer deutschen Großstadt", jubelt Jung.
Oder Dominik Sauerteig: Dem 33-Jährigen hatte in Coburg kaum einer den Einzug in die Stichwahl zugetraut - dort ist der Anwalt nun sogar als Führender gelandet. Auch Peter Reiß in Schwabach, Thorsten Brehm in Nürnberg, Andreas Starke in Bamberg oder Florian Janik in Erlangen haben gute Chancen, in zwei Wochen die Chefsessel in ihren Rathäusern zu besetzen.
"Es ist gestern deutlich geworden, dass die SPD in Bayern eine Kommunalpartei ist und geblieben ist", sagte Generalsekretär Uli Grötsch mit einem fast hörbaren Aufatmen. Die Sozialdemokraten seien hinter der CSU ganz klar als Nummer zwei in Bayern durchs Ziel gegangen. Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Genossen werden massiv Sitze in den Kommunalparlamenten und damit Verwurzelung in den Regionen verlieren - selbst dort, wo sie als Sieger angesehen werden dürfen.
In München etwa dürften die SPD bis zu sechs Sitze im Stadtrat einbüßen, in Nürnberg geht es noch weiter ins Minus - auch wenn in der Frankenmetropole die Auszählung wegen technischer Probleme am Montag nicht wesentlich vorankam. Auch in Städten wie Schwabach oder Coburg, wo die Sozialdemokraten gute Chancen haben, den Oberbürgermeister zu stellen, ging es im Stadtrat bei der Zahl der Mandate bergab.
Und die AfD? Die Rechtspopulisten hatten in der Corona-Krise thematisch praktisch überhaupt nichts beizutragen. Bei den Personenwahlen um die Bürgermeister- und Landratsämter spielten sie keine Rolle. Dennoch schaffte es die AfD in vielen Städten und Gemeinden, Vertreter in die Kommunalparlamente zu entsenden - etwa in Passau, Deggendorf, Coburg, Bayreuth oder Fürth. In den Räten dürften sie in den meisten Fällen jedoch weitgehend isoliert sein.