Ein Diamant aus Asche? So denkt Bayern über moderne Bestattungen  

Rheinland-Pfalz prescht mit den modernsten Bestattungsregeln Deutschlands nach vorn. Eine Urne im Regal? Das ist hier bald möglich. In Bayern ist man hier deutlich zurückhaltender. Was im Freistaat gilt – und was nicht geht.
von  Rosemarie Vielreicher
Der Friedhof als (bisheriger) Standard der Trauer: Ein Kreuz steht vor Grabsteinen in Augsburg.
Der Friedhof als (bisheriger) Standard der Trauer: Ein Kreuz steht vor Grabsteinen in Augsburg. © Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Wie individuell soll der Abschied von dieser Welt sein? In Rheinland-Pfalz ist man der Meinung: sehr. Der Landtag in Mainz hat am Donnerstag das modernste Bestattungsgesetz Deutschlands verabschiedet. Mit diversen neuen Möglichkeiten. Die Novelle des Gesetzes soll im Oktober in Kraft treten.

Mit der Neuerung wird unter anderem Folgendes möglich sein: Bestattungen in Tüchern statt im Sarg - oder aber auch eine Flussbestattung in Rhein, Mosel, Saar und Lahn (in einer Urne aus sofort wasserlöslicher
Zellulose). Noch extravaganter: Aus der Asche Verstorbener dürfen in Rheinland-Pfalz künftig synthetische Diamanten hergestellt werden. Als Erinnerungsstück.

Man darf die Urne mit der Asche eines geliebten Menschen fortan auch daheim aufbewahren. Im Regal im Wohnzimmer zum Beispiel. Auch das "genehmigte Ausbringen der Asche außerhalb von Friedhöfen" ist erlaubt - sofern der Eigentümer des Grundstücks einverstanden ist. Ebenso gibt es die Option, die Asche aufzuteilen und etwa aus einem Teil ein Erinnerungsstück zu fertigen.

CDU stimmt gegen das Gesetz

Diese Offenheit kam nicht bei allen gut an. Kritik äußerte die CDU, die gegen das Gesetz stimmte. "Das geht uns zu weit", sagte der CDU-Abgeordnete Christoph Gensch. "Herr Minister, Sie sind der Totengräber unserer Friedhöfe."

Eine Urne mit der Asche eines Verstorbenen steht neben einer Kerze und einer Engelsfigur.
Eine Urne mit der Asche eines Verstorbenen steht neben einer Kerze und einer Engelsfigur. © Patrick Seeger/dpa

Landesgesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) sagte dem SWR zufolge dagegen, die rheinland-pfälzische Ampel-Regierung berücksichtige mit dem Schritt die veränderte Bestattungskultur. Das Gesetz schränke niemanden ein, der eine traditionelle Form wünsche. "Wir sehen den Friedhof in unserem Bestattungsgesetz immer noch als Regelfall an."

Entscheidend für die neuen Regeln: Man muss noch zu Lebzeiten schriftlich festhalten, dass man eine der neuen Formen der Bestattung wünscht. Ohne eine solche Verfügung bleibt nur eine normale Bestattung auf dem Friedhof. Man muss zudem seinen Hauptwohnsitz vor dem Tod in Rheinland-Pfalz gehabt haben. Damit soll "Bestattungstourismus" unterbunden werden.

Nachgefragt: Das gilt in Bayern

Käme eine solche Modernisierung von Bestattungen auch in Bayern infrage? Welche Vorgaben gelten im Freistaat? Die AZ hat beim zuständigen Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention nachgefragt.

Ein Sprecher teilt der AZ mit, dass im Bayerischen Bestattungsgesetz, kurz BestG, eine Bestattungspflicht festgeschrieben ist. Das heißt: Jede Leiche muss bestattet werden. Er listet die möglichen Varianten auf: die Beisetzung in einer Grabstätte, also eine gängige Erdbestattung.

Desweiteren kommt infrage: "eine Einäscherung in einer Feuerbestattungsanlage mit anschließender Beisetzung der Urne in einer Grabstätte (Feuerbestattung) oder Einäscherung in einer Feuerbestattungsanlage und Beisetzung der Urne von einem Schiff auf hoher See (Seebestattung)". Mit Letzterem ist nicht gemeint, dass die Asche auf dem Meer verstreut werden darf, sondern dass eine biologisch abbaubare Urne versenkt wird.

Eine Urne zur Seebestattung wird ins Wasser gelassen.
Eine Urne zur Seebestattung wird ins Wasser gelassen. © Carsten Rehder/dpa

Das Ministerium teilt grundsätzlich mit: Die Beisetzung der Leiche oder der Urne müsse "in der Regel" in einer Grabstätte auf einem Friedhof erfolgen. Stichwort: Friedhofszwang.

Grab, Urne - und auch das Tuch ist seit 2021 erlaubt

Grab und Urne - das kennt man. Aber was ist konkret noch möglich in Bayern? "Eine sarglose Tuchbestattung (als Form der Erdbestattung) ist auch in Bayern zulässig", teilt das Ministerium mit. Zum 1. April 2021 sei die in der Bayerischen Bestattungsverordnung, kurz BestV, normierte Sargpflicht gelockert worden. "Die Sargpflicht entspricht der gewachsenen christlichen Bestattungskultur und gilt daher weiterhin."

Die Option eines Leichentuchs ohne Sarg aus religiösen und weltanschaulichen Gründen sei nun aber nach den Traditionen von Mitbürgerinnen und Mitbürgern muslimischen, jüdischen oder anderen Glaubens ebenfalls möglich.

Das Verstreuen der Asche ist verboten

Die Aschereste unter Verwandten aufzuteilen, ist in Bayern nicht vorgesehen. Ebenso nicht, diese zu verstreuen. Der Grundsatz: "Die Aschereste einer jeden Leiche sind nach der Einäscherung in einer festen Urne zu verschließen."

Auch einen Diamanten oder andere Erinnerungsstücke darf man in Bayern nicht aus der Asche herstellen lassen. "Dies ist in der staatlichen Pflicht begründet, die Würde des Verstorbenen zu schützen."

Das Ministerium befürchtet Streit unter den Angehörigen

Der Sprecher argumentiert so: "Würde ein Erinnerungsstück aus diesen Aschenresten hergestellt und den Angehörigen ausgehändigt, wäre es dem Staat nicht möglich, die Achtung der Würde des Verstorbenen im Einzelfall sicherzustellen. Dies gilt ebenso für die Aufbewahrung einer Urne zu Hause. Zudem unterscheiden sich die Vorstellungen zum Umgang mit Aschenresten eines Verstorbenen bereits bei engsten Angehörigen häufig erheblich voneinander."

2022 in Nürnberg: Zur Anschauung für eine Tuchbestattung wird eine lebensgroße Figur in einem Leichentuch  gezeigt.
2022 in Nürnberg: Zur Anschauung für eine Tuchbestattung wird eine lebensgroße Figur in einem Leichentuch gezeigt. © Daniel Löb/dpa

Ebenfalls ein Argument: Wo sollen die Angehörigen dann trauern? "Grundsätzlich kann ein privater Bestattungs- oder Aufbewahrungsort bei einem Angehörigen die Achtung der Würde des Verstorbenen nicht garantieren und wäre zudem möglicherweise nicht allen Angehörigen, Freunden und Bekannten des Verstorbenen als Ort der Trauer in gleicher Weise jederzeit zugänglich wie eine Grabstätte."

"Eine Änderung ist zur Zeit nicht vorgesehen"

Daher ist man im Freistaat der Meinung: "Nach Ansicht der bayerischen Staatsregierung kann ein würdiger Umgang mit den sterblichen Überresten am besten auf einem öffentlichen Friedhof gesichert werden, der diesem Zweck gewidmet und dessen Bestand gesichert ist." Damit werde auch die Ehrung der Toten über Generationen ermöglicht. "Deshalb ist – neben der angesprochenen Diamantbestattung – auch die Flussbestattung in Bayern nicht zulässig."

Einem Wandel habe man insofern schon Rechnung getragen, dass man die Beisetzung von Urnen an Wurzeln von Bäumen auf Naturfriedhöfen zugelassen habe. "Eine Änderung des Bayerischen Bestattungsgesetzes ist zur Zeit nicht vorgesehen.“

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