Die Kälbchen-Odysee aus dem Landkreis Miesbach

30 Jungrinder aus dem Landkreis Miesbach werden bis nach Libyen verschifft – der Fall wird nun zum Politikum und empört nicht nur Bauern.
von  Klaus Wiendl
Eine Kuh schaut durch die Gitter eines Tiertransporters. Lebendtiertransporte in Risikostaaten sind eigentlich verboten.
Eine Kuh schaut durch die Gitter eines Tiertransporters. Lebendtiertransporte in Risikostaaten sind eigentlich verboten. © Werner Baum/dpa

Miesbach - Obwohl es in Bayern seit März 2019 ein Exportverbot in sogenannte Risikostaaten gibt, hat man es im Landkreis Miesbach zwei Monate später umgangen. 30 weibliche Kälber wurden am 16. Mai 2019 an der Oberlandhalle von Miesbach auf einen Viehtransporter verladen und exportiert.

Ziel war ein 700 Kilometer entfernter Hof in der Slowakei. Den es aber nicht gab. Der Laster brachte die Zuchtrinder stattdessen zu einer nahen Tiersammelstelle. Dort wurden sie zu Schlachtvieh umdeklariert. Ohne die vorgeschriebene 48-stündige Pause für die Tiere und ihre Versorgung mit Wasser und Futter ging es mit dem Transporter aus dem Allgäu weiter, 2.100 Kilometer quer durch Europa.

Die Tiere wurden in Spanien auf einem Frachtschiff in das Bürgerkriegsland Libyen verschifft. Dies zeigen der AZ vorliegende Dokumente. Adressat war eine Importfirma in Tripolis. Aufgedeckt hatte den Skandal Iris Baumgärtner von der Tierrechtsorganisation Animal Welfare Foundation (AWF).

Umstrittene Tiertransporte gehen weiter

Für den Dokumentarfilmer Manfred Karremann waren sie Grundlage für seinen erschütternden Film "Tiertransporte grenzenlos" in der ZDF-Sendereihe "37 Grad" vergangene Woche (Sie ist in der ZDF-Mediathek abrufbar).

Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (FW) hatte vor knapp einem Jahr noch erklärt, weder auf den Transporten noch an den Zielorten könne die Einhaltung der Tierschutzvorschriften garantiert werden.

Dennoch gehen die umstrittenen Exporte weiter, obwohl Glauber verkündete, "wir tun, was wir rechtlich können, um Tiertransporte in fragwürdige Drittländer zu verhindern". Zu ihnen gehört Libyen genau so, wie Usbekistan, Türkei und Marokko.

Der Verband sagt der AZ: Die Tiere seien auf einem Milchbetrieb

Obwohl die Transport- und Haltungsbedingungen oft nicht den Gesetzen entsprechen, landen dort Tiere aus Miesbach. Denn für internationale Geschäfte wirbt eine Tochter-GmbH des Fleckviehzuchtverbands Miesbach.

Auf der mehrsprachigen Homepage, auch auf Türkisch, wird mit den Vorzügen oberbayerischer Rinder geworben, sie seien für "alle Haltungsformen" geeignet. Die vitalen Zuchtrinder würden sich den "verschiedensten Produktions- und Klimabedingungen bestens anpassen". Und die Kalbinnen aus Miesbach seien inzwischen "auf einem Milchbetrieb in Libyen", behauptet der Verband auf AZ-Anfrage.

Der Bayreuther Veterinärdirektor Kai Braunmiller von der Landesarbeitsgemeinschaft Fleischhygiene und Tiergesundheit (LAG) in Bayern, sieht das mehr als kritisch. Im Bayerischen Rundfunk äußerte er angesichts vieler Schlupflöcher in Deutschland und der EU sein Misstrauen.

"Ich glaube, dass viele Landwirte nicht wissen, was im Endeffekt aus ihren Tieren wird, und wo die landen, und was dann mit ihnen passiert. Aber die Zuchtverbände wissen sehr gut, was da passiert, und machen das sehr geschickt. Aber das ist natürlich ein untragbarer Zustand, wenn man sieht, wo die Tiere dort qualvoll enden." Vorausgesetzt, sie überstehen den Transport.

Wenn begründete Zweifel am Zielort bestünden, so die Landtags-Grünen, müssten Transportpapiere verweigert werden. Auch die SPD fordert, "dieses Tierleid beim Transport endlich zu stoppen".

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