TV-Kritik zur Dschungelshow: Eine fade Made

Es gab Jahre, viele sogar, da löste das RTL-Dschungelcamp beim Publikum sehr regelmäßig sehr viel aus: Vorfreude, Guck-Gaudi, Lachen (Larissa Marolt! Evelyn Burdecki!), Fremdschäm-Momente (unzählige), Psychoanalyse (Glaubt Joey Heindle wirklich, dass er hier sterben könnte?; Ist die Liebe von Jay Khan und Indira nur gespielt?) und vielleicht sogar Sympathie mit dem ein oder anderen Kandidaten oder der seltsam-spannenden Gruppendynamik.
Das Dschungelcamp war mehr als eine Aneinanderreihung von Ekel-Prüfungen und Lagerfeuer-Lästereien, es war ein soziales Experiment unterschiedlicher Menschen mit niedriger Hemmschwelle (mitunter auch IQ) und großem Ego.
Dschungelcamp: Zweiwöchige Beziehung mit den zwölf Campern
Auf jeden Fall ging der Zuschauer, ob er denn wollte oder nicht, eine zweiwöchige Beziehung mit den zwölf Campern ein, was Kakerlaken-Herzen und Quoten gleichermaßen in die Höhe schnellen ließen.
Und heuer? Nix. Die Dschungelshow, wie sie jetzt heißt, lässt einen kalt, berührt einen null. Nicht mal mehr aufregen will man sich über die Trash-Teilnehmer, verschwendete Energie in Zeiten, in denen sich das Publikum durch das echte Leben eh schon genug strapaziert fühlt. Und genau hier in der Pandemie wäre aber Potenzial gewesen. Nie waren im Januar vermutlich so viele Menschen in Deutschland mit so wenig Ablenkung und so großer Sehnsucht danach zu Hause und hätten um 22.15 Uhr einschalten können.
Man nehme als Beispiel nur mal den "Tatort" mit Wotan Wilke Möhring, den am Sonntag fast elf Millionen Menschen verfolgt haben, eine irre Quote, obwohl er so nervenzerfetzend war wie eine Liveübertragung aus einem Schlaflabor.
Die Einschaltquote des Dschungelcamps hat sich wenig überraschend nach den ersten Folgen halbiert, gerade mal zwei Millionen schalten jetzt nach elf Tagen noch ein, wenn die bemühten Moderatoren Sonja Zietlow und Daniel Hartwich mit ehemaligen Campern über die wirklich guten alten Dschungel-Zeiten reden.
Dschungelshow: Trashig wie nie zusammengewürfelte Kandidaten
Dazwischen befinden sich die so trashig wie nie zusammengewürfelten Kandidaten (die niemand kennt und auch nicht kennenlernen will) abwechselnd in Dreier-Grüppchen im Tiny House, einer Mini-Hütte – oder sie versuchen, im nachgebauten Dschungel in einem Studio in Hürth (Köln), Dschungel zu spielen. Das kann freilich nur misslingen.
Selbst die Stromschläge, die die Trash-Teilnehmer Xenia von Sachsen, Djamila Rowe und Filip Pavlovic am Sonntagabend bekommen haben, konnten das Publikum nicht wachrütteln. Schlimmer noch: Sie machten deutlich, was heuer fehlt irgendeine Form von Spannung. Es zündet nicht, Stromschläge hin oder her.
Dabei gibt es momentan auch TV-Sendungen, die neu und corona-bedingt anders sind, aber trotzdem sehr gut funktionieren. Bestes Beispiel: "Wer stiehlt mir die Show?" (dienstags, ProSieben, 20.15 Uhr). Die Quizshow startete stark (1,87 Millionen) und blieb es, die Idee stammt von Joko Winterscheidt, der zuletzt die Moderation an Thomas Gottschalk verloren hat. Gegen diese Unterhaltung ist der Dschungel nur noch eine fade Made.