Kritik zum Schwarzwald-Tatort: Unglaubwürdig und wirr!

Achtung, Spoiler! Diese TV-Kritik gibt mehr oder weniger konkrete Hinweise auf die Handlung des Freiburger "Tatort: Ich hab im Traum geweinet". Wenn Sie nichts verraten bekommen wollen, warten Sie mit der Lektüre des Textes bis Sie den Film gesehen haben (Das Erste, 23.02.2020, 20.15 - 21.45 Uhr und in der ARD-Mediathek).
"Bedrohlich heftige Veranstaltung" nennt Autor und Regisseur Jan Bonny die alemannische Fasnet und die dort herrschenden Zustände, die den Rahmen für den vierten Fall des Ermittlerduos Tobler (Eva Löbau) und Berg (Hans-Jochen Wagner) bieten. In "Ich hab im Traum geweinet" artet diese aber derart aus, dass sich der ein oder andere Fastnachtsverein im Schwarzwald dann doch missverstanden fühlen könnte.
Man hat das Gefühl, in dieser jecken Gesellschaft geht irgendein Virus um. Ein über Körperflüssigkeiten übertragbarer, der bei den sich hemmungslos Ableckenden neben vogelwilder Geilheit die totale Abschaltung rationaler Denkprozesse hervorruft.
Scharzwald-"Tatort": Nymphomanin im Ausnahmezustand
Dabei sind die Sexsucht der Ex-Prostituierten Romy Schindler (Darja Mahotkin) und der folgende Kontrollverlust sicherlich ein interessanter psychischer Ausnahmezustand und plausibel als Ursprung allen Übels für sie, ihren bemitleidenswerten Sohn Jonas (Lukas Konstantin Rose), den Arzt David Hans (Andrei Viorel Tacu) und die Staatsanwalt-Gattin Elena Kiehl (Bibiana Beglau).

Aber dass gleich alle Parteien derart übertrieben animalisch übereinander herfallen und dabei jegliche Vernunft über Bord werfen, ist so abstrus, dass man auch der Besetzung das Unbehagen zeitweise anmerkt. Wie viel drin gewesen wäre, wenn man das Ganze ernstgenommen hätte, zeigt eine brachial gewalttätige Anfangsszene zwischen Romy und einem ihrer Ex-Freier, begleitet vom außergewöhnlichen Score von Jens Thomas, der das Heinrich-Heine-Thema aus dem Titel als singender Erzähler fortführt.
Sex und Alkohol - und Unbeholfenheit
Dann fallen die Hüllen und es wird geschlagen, gewürgt, geleckt, gestöhnt – und gesoffen. Im Bett wie an der Bar jagt ein gestelzter Softporno-Dialog den nächsten ("Du bist sooo stark", "Ich bin immer stark") und erst nach 37 Minuten explizit in Szene gesetzten Kopulierens stirbt dann doch noch einer.

Wer’s war, ist klar, aber erstmal egal. Weil die Kommissare nach einer mehr oder weniger überzeugend dargebotenen Sauforgie in der Dorfwirtschaft nämlich auch gevögelt haben. Die Fremdscham über deren Unbeholfenheit und das folgende Kreuzfeuer an Zweideutigkeiten erreicht ihren Höhepunkt bei einer wilden Büroartikelschlacht, während nebenan jemand ein Geständnis abgeben will.
Während den meisten die gute Laune vergangen ist und die Kommissare sich wieder bei einem Bierchen lockermachen, ist man froh, wenigstens in diesem Schlafzimmer nicht auch noch Mäuschen spielen zu müssen.