Vor dem Entscheidungsspiel: Ist das alles, Löwen?
München - Diese Leistung verängstigter Löwen gab nicht nur dem ARD-Experten Rätsel auf. "Ich frage mich, wie Sechzig in die Partie gegangen ist. Das ist amateurhaft!" So lautete das Urteil von Thomas Hitzlsperger in der Halbzeit-Pause des Relegations-Hinspiels des TSV 1860 beim SSV Jahn Regensburg: "Sie reden von Profifußball, aber in so einem wichtigen Spiel so in Rückstand zu geraten, das ist einfach nicht gut genug. Man könnte sagen, der Jahn spielt zweite und 1860 dritte Liga."
Harte Worte des Ex-Nationalspielers – sie hätten zutreffender kaum sein können. Mit mehr Glück als Verstand retteten die Sechzger beim furios aufspielenden Drittliga-Dritten ein 1:1. Das Ergebnis? Noch das Beste am indisponierten Auftritt.
"Es wollte ja jeder, wir haben es nur nicht auf den Platz gebracht – wie so oft in dieser Saison. Daran müssen wir arbeiten und uns messen lassen. Es zählt nicht immer nur die Qualität, in so einem Spiel ist auch die Mentalität wichtig", kritisierte Spielmacher Michael Liendl sich und die Seinen nach dem glücklichen Remis und fügte hinzu: "Ergebnistechnisch sind wir im Vorteil“.
Wodurch sich – trotz ordentlicher Ausgangslage – die Frage aufdrängt: Ist das alles, was ihr draufhabt, Löwen? Mehr noch: Könnt ihr nur Drama? Wollt ihr nochmal so ein Zittern wie vor fast genau zwei Jahren gegen Holstein Kiel, als es mit 0:0 im Hinspiel in den Showdown ging?
Die AZ zeigt, was dringend besser werden muss, damit die Sechzger am Dienstag (ab 18:00 Uhr im AZ-Liveticker) die Klasse halten:
Den Kopf einschalten
Eine klare Spielidee? Funktionierender Spielaufbau mit Kombinations-Fußball bis in die Sturmspitze? Fehlanzeige. "Der Jahn spielt es einfach, ist klar in seinen Aktionen und macht es richtig", so Hitzlsperger, um Gegenteiliges beim Gegner festzustellen: "Sechzig hingegen läuft sechs oder sieben Mal ins Abseits, spätestens beim dritten Mal sollte man es dann verstehen."
Und tatsächlich: Immer wieder lange Bälle auf Stoßstürmer Sascha Mölders und die beiden Außen, Stefan Aigner und Levent Aycicek. "Ich weiß nicht", so Hitzlsperger, "warum die Spieler es nicht begreifen, wie man sich gegen eine hoch stehende Abwehr zu verhalten hat."
Drum gilt für die Giesinger, trotz leichter Besserung nach der Pause: Kopf einschalten und besser kombinieren, sonst wird’s auch in der Allianz Arena eine zähe wie zittrige Angelegenheit.
Das Flügelspiel verbessern
Damit einher geht auch die Taktik, die es im (für Pereira alternativlosen) 3-4-3-System viel zu selten zulässt, eine klare Dominanz zu erspielen. "Wir brauchen nicht um den heißen Brei herumreden: Wir haben nie wirklich zu unserem Spiel gefunden. Das ist Fakt", so Liendl, der wusste: "Wir müssen viel mehr über die Außen kommen, wo wir schnelle Spieler haben."
Der Österreicher wollte diesen Aspekt als Grundsatzkritik verstanden wissen: "Das haben wir in der gesamten Saison viel zu selten genutzt."
Die Chancen verwerten
Neues Spiel, altes Leid: Regensburgs Führung hätte nur wenige Minuten Bestand haben können, hätte Mölders seinen Flugkopfball genutzt, oder die Kugel dem besser postierten Aigner überlassen. In Regensburg konnte sich 1860 bei Heiko Herrlichs Elf bedanken, die noch schludriger mit den eigenen Möglichkeiten umgegangen war – sonst könnte es bereits ganz düster aussehen. Und selbstredend bei Florian Neuhaus, der diese Qualität nach seiner Einwechslung einmal entscheidend aufblitzen ließ.
Überzeugung leben, diesen Verein zu retten
Stefan Ortega hätte Jahn-Stürmer Marco Grüttner in der Anfangsphase fast die Kugel zum 0:2 vorgelegt, grätschte eben noch dazwischen. Romuald Lacazette agierte, als hätte er zuvor noch kein Zweitliga-Spiel absolviert, reagierte nach seiner Auswechslung mit einem Wutausbruch.
Und Marin Pongracic leistete seiner Elf mit seinem Platzverweis einen ähnlichen Bärendienst wie Abdoulaye Ba durch sein Foul im Strafraum, das Andreas Geipls (verschossenen) Strafstoß nach sich zog. Wo der absolute Wille vonnöten gewesen wäre, diesen Verein mit voller Kraft zu retten, agierte 1860 mit einer Mischung aus Angst, Unsicherheit und Unvermögen.
Nun müssen die Giesinger eine gänzlich andere Einstellung an den Tag legen, um vor über 60 000 erwarteten Fans nicht erneut die Rolle mit Regensburg zu tauschen. Und die Liga...
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