TSV 1860 München: Ist das Kapitäns-Amt bei den Löwen eine Bürde?
München - Kapitän sind wir alle, ich bin auch Kapitän", hatte Trainer Vitor Pereira im Februar erklärt, als seine Elf den Karlsruher SC mit 2:1 besiegt hatte, "wir sind elf Kapitäne auf dem Platz, und es können immer drei Kapitäne reinkommen." Zuvor hatte er Kai Bülow mit der Binde bedacht. Der bedankte sich artig und knapp: "Es war mir eine Ehre, aber es ist völlig egal, wer Kapitän ist." Und auch Pereira stellte klar: Wenn er in der nächsten Partie wieder einen neuen Spielführer aussuchen müsse, sei das kein Problem.
Zehn Spielführer in einer Saison
Gesagt, getan – und nicht nur einmal: Nachdem schon vor Bülow bereits die eigentlichen Vizes Jan Mauersberger, Daniel Adlung und auch Torjäger Sascha Mölders anstelle von Aigner in die Bresche gesprungen waren, ging die Binde weiter munter reihum: Michael Liendl, Ivica Olic, Sebastian Boenisch, Maximilian Wittek und Levent Aycicek betätigten sich allesamt als Teilzeit-Bosse. Schon zehn Spielführer in einer Saison! Sieht so aus, als hätte Pereira seine eigene Weisheit "Elf Kapitäne müsst ihr sein" wörtlich genommen.
Die massenhafte Spielführer-Produktion birgt jedoch Gefahr. Nämlich, dass sich in einem Team mit flachen Hierarchien keiner zu Größerem bemüßigt fühlt. Pereiras Ansage daher an alle Akteure: "Wichtig ist, dass wir Ambition zeigen, Konzentration zeigen und alles geben wollen." Wer von all den vermeintlichen Löwen-Leadern zum echten Anführer taugt? Dazu nahm der 48-Jährige am Donnerstag Stellung.
Viele Schein-Kapitäne
"Jeder hat seine Persönlichkeit und ich respektiere sie alle", so Pereira, der am liebsten hätte, "dass jeder eine starke Persönlichkeit hat. Es gebe aber "viele Schein-Kapitäne". Würde oder Bürde? Er brauche jedoch einen, der Verantwortung übernehme – für sich selbst, den Verein und die Fans. Daher jeden mal ein bisschen an der Binde schnuppern lassen, um die unbrauchbare Spielführer-Spreu vom Weizen zu trennen?
Ein Problem, wie sich gezeigt hat: Kaum einer der vielen Spielführer hat seinen Stammplatz sicher. Ginge es danach, wären Stammtorhüter Stefan Ortega oder Abwehrchef Abdoulaye Ba zwei weitere Optionen, doch der eine ist (wie von vielen Trainern bevorzugt) kein Feldspieler und der andere zwar sein Vertrauter, aber erst seit kurzem ein Löwe (und spricht kein Deutsch).
Kai Bülow die logische Wahl
Abwehrrecke Bülow kämpft seit Jahren dagegen an, bei den Sechzgern ausrangiert zu werden, dabei galt stets der Grundsatz: Totgesagte leben länger. Bülow hat Biss und Wille, aber ein Überspieler der Zweiten Liga ist der hinsichtlich Geschwindigkeit und Spielaufbau limitierte Abräumer nicht. Und doch ist er für Pereiras Anforderungsprofil wohl derzeit die logische Wahl.
"Ein Kapitän ist für mich einer, der auf dem Platz seine Arbeit macht, bereit ist, den anderen zu helfen und sich mit den Zielen des Vereins identifiziert." Während Mölders nach Schambeinverletzung lange ausfiel, Wittek und Aycicek nur Ersatz sind und Liendl zwischen Bank und Rasen pendelt, stellt sich Pereira regelmäßig nicht nur die Frage: Arbeiter Olic oder dem formschwachen Torjäger Christian Gytkajer eine neue Chance geben, sondern auch: Wer wird’s? So ist nicht ausgeschlossen, dass Pereira bei bisher zehn Captains seine Elf bald vollmacht.