Löwen-Boss Stoffers: „Bewusst für Multi-Kulti“

Wie die Münchner Vereine mit ihrer Vergangenheit im Dritten Reich umgehen. Die Löwen präsentieren ein Buch, Rummenigge gedenkt Bayerns jüdischem Ex-Präsidenten.
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Die Hand zum Hitlergruß: Der TSV 1860 galt als ein Vorzeigeverein der Nazis. Über die Vereinsgeschichte im Dritten Reich schrieb Anton Löffelmeier nun das Buch „Die Löwen unterm Hakenkreuz“. Foto: Verlag „Die Werkstatt“
Verlag Die Werkstatt Die Hand zum Hitlergruß: Der TSV 1860 galt als ein Vorzeigeverein der Nazis. Über die Vereinsgeschichte im Dritten Reich schrieb Anton Löffelmeier nun das Buch „Die Löwen unterm Hakenkreuz“. Foto: Verlag „Die Werkstatt“

Wie die Münchner Vereine mit ihrer Vergangenheit im Dritten Reich umgehen. Die Löwen präsentieren ein Buch, Rummenigge gedenkt Bayerns jüdischem Ex-Präsidenten.

MÜNCHEN Es ist der passende Ort: Die Stadionwirtschaft vom Sechzger. Franz Maget, Vizepräsident der Löwen, und auch Manfred Stoffers, der Geschäftsführer, werden kommen, wenn Historiker Anton Löffelmeier an diesem Ort sein Buch vorstellt. Titel: „Die Löwen unterm Hakenkreuz“.

Noch vor einiger Zeit hätte Löffelmeier das Buch alleine präsentiert. Ohne Vertreter des Vereins. „Was die eigene Vergangenheit im Dritten Reich angeht“, sagt der Autor, „hat endlich ein Umdenken stattgefunden“. Und das nicht nur beim TSV 1860.

Die Zeitrechung soll nicht vor 1963 beginnen

Die Nazizeit war bei Vereinen lang ein Tabuthema. Die Zeitrechnung begann eh immer 1963 mit der Gründung der Bundesliga, und wenn es um die Historie davor ging, dann war in den Chroniken die Zeit zwischen 1933 und 1945 gerne ein weißer Fleck.

Dabei war es oft ein brauner Fleck. Bei den Löwen ein ziemlich dunkelbrauner.

Erst vor wenigen Jahre begann die Aufarbeitung. Für den DFB verfasste Historiker Nils Havemann das Buch „Fußball unterm Hakenkreuz“, eine Schilderung über den Verband als Instrument der Politik, mit Mitläufern und Überzeugungstätern.

Warum erst jetzt ein Umdenken?

Weitere Bücher folgten: „BVB in der NS-Zeit“, „Betze unterm Hakenkreuz“, „Hakenkreuz und rundes Leder“, „Davidstern und Lederball“. Und nun Löffelmeiers Werk über die Rolle von 1860 im Dritten Reich, dem Verein, der gerne Arbeiterverein genannt wird.

A wie Arbeiter. A wie der vierte Buchstabe in NSDAP.

Aber wieso hat es so lange gedauert, warum nun das Umdenken? Weil jetzt genug Zeit vergangen sei, meint Manfred Stoffers. „Die erste und zweite Nachkriegsgeneration wollte sich nicht damit beschäftigen“, sagte der Geschäftsführer zur AZ, „man hatte die Befürchtung, selbst den Tätern zugerechnet zu werden.“

Nun wolle man sich stellen, nicht wegen Schuldzuweisung, sondern aus Vorbeugung. „Es geht uns nicht darum, jemanden der Täterschaft zu bezichtigen“, so Stoffers, „es geht darum zu zeigen, dass 1860 ein von den Nazis durchseuchter Verein war, der für Fremdenfeindlichkeit und gegen Toleranz stand, genau anders als heute. Heute spielt Fremdenfeindlichkeit bei uns keine Rolle mehr, wir haben uns deswegen auch ganz bewusst für eine Multi-Kulti-Truppe entschieden.“ Mit den Neuzugängen aus Rumänien und Griechenland, Serbien, Ungarn und Tunesien.

"Wir müssen weiter die Dummheit bekämpfen"

Natürlich wurden die Spieler nicht wegen der Völkerverständigung geholt. Stoffers will aber weiter vehement gegen Intoleranz und Fremdenhass bei den wenigen Wirrköpfen im Fanlager vorgehen. „Nationalität, Hautfarbe und Glaube sind für uns kein Hinderungsgrund, einen leistungsstarken Spieler zum Löwen zu machen. Und Fremdenfeindlichkeit ist für mich ein Zeichen von Dummheit. Und ich hasse nichts mehr als Dummheit. Wir müssen weiter die Dummheit bekämpfen, vor allem mit Argumenten.“ Und mit der Erinnerung an die Vergangenheit.

Darum geht es auch am Dienstag in der KZ-Gedenkstätte Dachau. Anlass: Der 125. Geburtstag von Kurt Landauer, dem Präsidenten des FC Bayern.

Auch Karl-Heinz Rummenigge wird vor Ort sein, einer der erstaunlicherweise seltenen Anlässe, an dem die Bayern Landauer ehren. Denn obwohl der FC Bayern alles andere als durchseucht war von den Nazis, behandeltet der Verein die Zeit bislang sehr defensiv.

Bayern unterm Hakenkreuz - die Bosse bleiben defensiv

Wer auf der Bayern-Homepage den Namen Landauers sucht, findet keinen einzigen Eintrag. Auch der Kurt-Landauer-Weg gegenüber der Allianz-Arena östlich der A9 wurde nicht auf Wunsch des FC Bayern, sondern auf Betreiben der Stadtrats-Grünen so benannt. Und als im April 2008 die Bayern zu einem Seminar an den Starnberger See geladen waren, bei dem es mit DFB-Vize Rainer Koch um „Fußball im Dritten Reich“ ging, war beim FC Bayern niemand in der Lage, den Weg von der Säbener Straße nach Leoni auf sich zu nehmen.

Von der Grünwalder Straße schaffte es auch keiner.

Immerhin haben sie nun Löffelmeiers Buchpräsentation veranstaltet, "und zwar ganz bewusst in diesem ungewöhnlichen Rahmen, nämlich der Stadionwirtschaft des Stadions, das als Heimat der Löwen bezeichnet wird", sagt 1860-Geschäftsführer Stoffers. Ein guter Anfang. Reinwaschen können sie die Vergangenheit nicht. Sollen sie auch nicht. Wichtig ist es, sie zu erkennen. Damit die braunen Flecken aus der Nazi-Zeit die letzten bleiben.

Florian Kinast

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