Karl-Heinz Wildmoser: Ein wildes Leben

Erst liebten ihn die Fans, dann hassten sie ihn. Im Schmiergeldskandal war ihm nichts nachzuweisen: A Hund war er fei scho. Zum Tod von Ex-Löwenpräsident Karl-Heinz Wildmoser.
von  Abendzeitung

MÜNCHEN - Erst liebten ihn die Fans, dann hassten sie ihn. Im Schmiergeldskandal war ihm nichts nachzuweisen: A Hund war er fei scho. Zum Tod von Ex-Löwenpräsident Karl-Heinz Wildmoser.

Vier Wochen ist es her, da saß Karl-Heinz Wildmoser am Telefon in Hinterbrühl und hörte sich mild an: „Vergessma, was gwesen ist“, meinte er, „kummas amoi auf a Hoibe vorbei, dann ratschma in Ruhe.“ Auf die alten Tage wollte Wildmoser wohl noch Frieden machen, zumindest mit Reportern, von denen er sich einst verfolgt fühlte, die er eine Zeit lang „Nestbeschmutzer“ schimpfte, wenn sie etwas gegen ihn schrieben und seine Löwen.

Ja, seine Löwen. Das waren sie für ihn immer noch. Aber ihn in seinem Biergarten am Isarkanal zu sprechen, das wurde nichts mehr. Am Mittwoch Morgen starb Wildmoser, 71 Jahre alt.

Wer in den letzten Jahren bei Wildmoser anrief, hörte immer, dass er zu den Sechzgern nichts mehr sagen will, und dann sagte er doch immer viel. Und wenn es um sein ganzes Leben ging, dann auch. Wie er den Aufstieg schaffte, in Amerika sagen sie dazu: vom Tellerwäscher zum Millionär. Bei Wildmoser war es vom Schuhmacherbuam zum Großgastronom.

Am 5. Mai 1939, geboren mitten hinein nach Pasing und in eine schlechte Zeit. Keine vier Monate später war Krieg, als der Vater, ein Schuster, von der Front zurückkam, war er schwer verletzt und starb, als der Karl-Heinz neun war. Die Mama, vier Geschwister, bettelarm. Karl-Heinz lernte Metzger in Rottach, oft heim kam er nicht, der Zug vom Tegernsee nach München kostete fünf vierzig, viel Geld.

Als er doch wieder einmal in der Stadt war, mit 17, ging er zum Fußball. Ein 4:0, ein B-Länderspiel gegen Österreich im Sechzger. Dass er später wegen dieses Stadions zu einem gehassten Mann bei 1860 werden würde, ahnte er nicht. War ja auch noch hin.

Erst einmal arbeitete er in der Großmarkthalle, lernte dort die Theres kennen und lieben. 1961 war Hochzeit, im gleichen Jahr wurde er Wirt im „Ledigenheim“, Westend.

Bilder zeigen, dass Wildmoser damals am Tresen ein Schiffskäppi trug und ein geringeltes Hemd, wie später der Kopfeck Manne, als er als Leichtmatrose dem Monaco Franze sagte: „A Hund bist fei scho“, um mit dem als Herrn der Sieben Meere den Münchner Fasching unsicher zu machen. Aber Wildmoser war ja selber ein Stenz, das zeigte sich 2006, als sich der 44-jährige Klaus A. erfolgreich als gleichberechtigter Erbe einklagte. Als unehelicher Sohn vom Wildmoser.

1962 kam Tochter Evi zur Welt, ehelich von der Theres, genau wie 1964 der Bub. Karl-Heinz, kurz, der Heinzi. Im Geschäft lief es immer besser, 1972 bekam der Senior den Pschorr-Keller auf der Theresienhöhe, 1981 dann der Ritterschlag, der Einzug auf die Wiesn. Wildmoser hatte es geschafft, aber es ging ja noch weiter. 1985 der Donisl, wo die Gäste unter Wildmoser wieder ein Bier ohne K.o.-Tropfen bekamen. 1991 Hinterbrühl. Und 1992 die Löwen.

Zu jener Zeit, als draußen im Erdinger Moos der neue Flughafen aufmachte, führte er als neuer Präsident 1860 steil nach oben. Die Verpflichtung von Trainer Werner Lorant, der Durchmarsch von der Bayernliga in die Bundesliga, Aufstieg 1994. Uefa-Pokal 1997, Qualifikation zur Champions League 2000. Die, die nicht zu den Bayern hielten, feierten die Sechzger. Und Wildmoser ließ sich feiern.

Oft klang es schon arg nach Selbstmitleid, wenn er betonte, wie sehr er sich für die Löwen aufopfern würde und meinte: „I hob koa Lebensqualität.“ Aber dafür hatte er viele Bewunderer. Seine Art kam an beim Volk, immer wieder fuhr er zu den Fanclubs, da fühlten sie sich geehrt und rollten den blauen Teppich aus, wenn der große Präsident anrückte. Das mochte Wildmoser, der die Eigenschaften perfekt zu verkörpern schien, die ein ordentlicher Münchner Wirt braucht. Herzlich. Hemdsärmlig. Hinterfotzig. Aber es gab noch ein H-Wort. Hass.

Den spürte Wildmoser ganz gewaltig. Sonnenkönig nannte ihn viele wegen seiner absolutistischen Art, die Posten im Verein mit brav ergebenen Ja-Sagern zu besetzen. L’etat c’est moi, Sechzig bin ich!

Und als Totengräber des Vereins beschimpften sie ihn, weil er 1995 die Löwen ins ungeliebte Olympiastadion umziehen ließ. Aufgabe der Heimat, Verlust der Identität, Anhängsel an den FC Bayern, ein Schritt, von dem sich bei vielen Sechzgern die blaue Seele bis heute nicht mehr erholte.

Damals hätten sich die Löwen mit einem renovierten Grünwalder Stadion noch abgrenzen können vom Lokalrivalen, sich als Marke und Kultklub positionieren, als Antipode wie der FC St. Pauli vom Hamburger SV. Doch stattdessen wollte Wildmoser mit aller Macht ins neue Stadion nach Fröttmaning. Er wähnte sich auf Augenhöhe mit Bayern. Eine Fehleinschätzung.

Der sportliche Abstieg der Löwen begann 2001, der von Wildmoser im März 2004. Der Schmiergeld-Skandal um Heinzi, 2,8 Millionen Euro von der „Alpine“, die dann auch den Zuschlag beim Bauauftrag bekam. Drei Tage saß der Senior in Stadelheim, dann zahlte er 200 000 Euro Kaution und kam frei, sein Sohn dagegen bekam später viereinhalb Jahre aufgebrummt.

Dem alten Wildmoser war nichts nachzuweisen, seine Zeit bei Sechzig aber vorbei und der Kontakt zum Heinzi auch, bis zum Tod sprachen die beiden kein Wort mehr.

Vier Tage nach der Haftentlassung trat als er Löwen-Präse zurück, ein schlimmer Abschied, als er von der Geschäftsstelle fuhr, da bespuckten Fans seine Wagen, manche machten ihr Hosentürl auf und urinierten ans Auto. Unappetitlich war das und ekelhaft.

Von diesem Abend sprach Wildmoser danach nicht mehr. Dafür umso mehr, dass ihm jeden Tag zehn Leute sagen, dass er der einzig Richtige war. Und wenn er die Selbstzerfleischungen der letzten Jahre in der Spitze des Vereins sah, der manchmal an eine Bananenrepublik erinnerte, die nach dem Sturz des Autokraten in Anarchie und Chaos versinkt, dann werden ihn diese zehn Leute jeden Tag nur bestätigt haben.

Bevor er vor einer Woche wegen einer Geschwulst am Kopf operiert wurde, sagte er noch, er wolle arbeiten, bis er 85 ist. Daraus wurde nichts und auch nicht aus dem kurzfristigen Ziel, nächste Woche wieder beim Aufbau auf der Wiesn zu sein. Die Enten und Hendl gibt es jetzt ohne Wildmoser. Genau wie die verabredete Halbe in Hinterbrühl.

Und so sehr er polarisierte, seine Art einem sympathisch war oder zuwider, die ihn liebten und die ihn hassten, einig werden sich alle sein. A Hund war er fei scho.

Florian Kinast

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