Huddersfield Aufstieg - Ex-Löwe Christopher Schindler: Der Millionen-Schuss

Huddersfield - Der riesengroße Druck steht ihm ins Gesicht geschrieben. Montagabend. Aufstiegs-Playoffs der zweiten Englischen Liga. Wembley, Englands bedeutendster Fußball-Tempel. Elfmeter-Krimi. Die Premier League mit ihren rund 230 Millionen Euro an TV-Geldern einen einzigen Schuss entfernt. Christopher Schindler, im Vorjahr Abstiegs-Kämpfer mit dem TSV 1860, marschiert entschlossen zum Elfmeterpunkt. Fixiert nur den Ball. Und jagt ihn platziert ins Tor. Der Rest ist überschäumender Jubel.
Dank Ex-Löwe Schindler, dank einer sensationellen Saison im Unterhaus des Mutterlands des Fußballs, ist sein neuer Verein Huddersfield Town in Englands Eliteklasse aufgestiegen. Der kleine Klub aus der Grafschaft Yorkshire, gelegen zwischen Manchester und Leeds, darf kommende Saison im Konzert der ganz Großen mitmischen und gegen Manchester United, den FC Chelsea und Ian Ayres Ex-Klub FC Liverpool antreten.
Der 27-jährige Innenverteidiger aus München stand seinen Mann, als er den fünften Strafstoß gegen Reading nach 0:0 in 120 Minuten zum finalen 4:3-Endstand versenkte. "Ich kann es noch nicht so richtig fassen. Das dauert wahrscheinlich noch ein paar Tage, das zu verarbeiten", sagte Schindler hinterher bei Streaming-Sender "DAZN", "die Emotionen und die Stimmung waren unglaublich. Es ist ein absolutes Privileg, hier vor dieser Kulisse zu spielen – das sind die Erfahrungen als Fußballer, von denen du als kleines Kind träumst. Ich bin sehr dankbar, dass ich hier sein durfte und den entscheidenden Elfer verwandeln durfte", so der Abwehrspieler.
Ein breites Grinsen konnte er sich nicht verkneifen. Kein Wunder: Der ehemalige Sechzger krönte sich mit seinem Millionenschuss zum Helden von Wembley. Und das, obwohl anfangs niemand Huddersfield auf der Rechnung hatte. David Wagner, dessen deutsch-amerikanischer Coach, Kumpel und Trauzeuge von Jürgen Klopp, hatte die "Terriers" ein Jahr zuvor vor dem Abstieg gerettet.
Danach wurde in dem kleinen Städtchen die "Wagner Revolution" ausgerufen: Mit Schindler, Elias Kachunga, Michael Hefele, Chris Löwe und Jon Gorenc Stankovic holte der Klub, der mit seinem Mini-Etat von 16 Millionen Euro nur auf Liga-Rang 18 rangiert, im Sommer 2016 fünf deutsche Akteure.
Schindler, zuvor als Dauer-Löwe vom Nachwuchsleistungszentrum zum Leistungsträger und Kapitän der Profis gereift, hatte nach zwei Jahren voller Abstiegsängste genug vom Kampf um den Klassenerhalt. Genug vom Chaos. Schindler packte seine Frau Paulina und seine Tochter Marie ein, suchte eine neue Herausforderung. "Ich kannte Huddersfield Town davor nicht einmal", gestand er, bevor er für rund 2,3 Millionen Euro wechselte.
Und anfangs seine Probleme hatte: "Der Start hat Zeit und Nerven gekostet. Man braucht für alles ein englisches Konto, ein Auto zu organisieren war Wahnsinn", erklärte der Perlacher im Winter im AZ-Interview. Aus sportlicher Sicht sei er "erstmal froh" gewesen, "dass ich überhaupt gespielt habe, denn das Niveau ist ziemlich hoch." Gegen bullige Torjäger erkannte er "Defizite im Kraftbereich" und packte "fünf Kilo" Muskelmasse drauf. Hat sich gelohnt, denn: Schindler wurde auf Anhieb Stammspieler und ist als Akteur mit den meisten Einsatzminuten (3.867 ins 44 Ligaspielen, zwei Tore) eine Stütze.
Den Löwen ist er immer verbunden geblieben: "Sechzig ist mein Verein und wird es immer bleiben. Ich verfolge die Löwen jeden Tag." Übrigens: Laut Schindler hatten ihm einige 1860-Spieler in Wembley die Daumen drücken wollen, wegen der eigenen Abstiegsrelegation aber passen müssen. Eine Rückkehr nach Giesing hat er nicht ausgeschlossen. Doch die dürfte noch ein paar Jahre auf sich warten lassen. Erstmal darf sich der frischgebackene Aufsteiger mit Torjägern wie Sergio Aguero, Diego Costa, Alexis Sanchez oder Harry Kane messen.
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