„Es muss jetzt schnell über die Bühne gehen!“
München/Bodenmais - Welch ein Idyll, mitten im Bayerischen Wald. Bodenmais, Kurort mit Heilklima. Sonnenschein, ein Fußballplatz in sattem Grün, der den Namen „Glück-Auf“-Stadion trägt: Herrlich! Ein kleiner Bergbach rauscht beruhigend durch den kleinen Markt im Landkreis Regen. Aber auch diese Wohlfühl-Oase, wo der TSV 1860 sein dreitägiges Trainingslager verbringt, kann den Löwen-Machtkampf nicht verdrängen.
Gerhard Poschner, von den Vereinsoberen längst verschmähter Sportchef, wenn sie ihn denn nur ohne weitreichende Konsequenzen entlassen könnten (Affront mit Investor Hasan Ismaik, Darlehenskündigung oder gar Löwen-Insolvenz), sitzt auf einem Holzbänkchen neben dem Sportplatz. Und klagt, dass ihm noch immer die Hände gebunden seien.
„Es ist ein Zustand. Für den Trainer, für die Spieler und den ganzen Verein. Es gibt keine Zeit mehr! In der aktuellen Situation ist Unklarheit das Schlimmste, was uns passieren kann“, sagt Poschner, seinen Blick oft auf sein Handy gerichtet. Dort sollen sie eintrudeln, die Anrufe der Spielerberater mit neuen Löwen-Kickern im Gepäck. Einziges Problem: Poschner ist trotz der Zusage des Vereins, man sei handlungsfähig, weiter blockiert. „Alle Entscheidungen der Geschäftsführung benötigen die Zustimmung des Präsidiums“, sagt Poschner. Nicht schon wieder.
„Bei einem Transfer wurde aber ein Kreuz gesetzt“, erzählt Poschner. Hintergrund: Wie die AZ berichtete, wollte er Tim Hoogland verpflichten, Defensiv-Allrounder vom FC Fulham. Der unterschrieb aber am Mittwoch bei Konkurrent VfL Bochum. Heißt: Weiterhin Stillstand! Versucht das Interims-Präsidium um Siegfried Schneider und Karl-Christian Bay weiter, Poschner zum Rücktritt zu bewegen? „Ich gehe davon aus, dass Poschner Manns genug ist, selbst die Konsequenzen zu ziehen und den Weg freizumachen“, sagte Schneider der „SZ“ Anfang Juni, noch in seiner Funktion als Verwaltungsrat-Boss.
Auch als Not-Präsident wiederholt er, was er damals getan hatte: Poschner zu blocken. Die AZ fragte nach bei Schneider: „Wir haben erst am Montag die Arbeit aufgenommen. Wir sollten am selben Tag entscheiden, hatten uns noch nicht einmal informiert. So kurzfristig konnten wir das nicht absegnen.“ So viel zur mit Kreuzchen statt Häkchen versehenen Personalie Hoogland. Und was ist jetzt mit künftigen Transfers?
„Ich erwarte ein klares Konzept“, sagt Schneider, der von sich wies, Poschner-Transfers grundsätzlich abzulehnen, um den Sportchef durch Zermürbungstaktik aus seinem Posten zu hieven: „Poschner ist handlungsfähig, der Verein ist in der Lage, Spieler zu verpflichten.“ Schneider weiß, dass er am längeren Hebel sitzt, er und Interims-Vize Bay haben das letzte Wort. Schneider bestätigte, dass er einen Beirat installiert habe, „die Überlegung dahinter ist, ein gründliches Bild von der aktuellen Situation zu erlangen“.
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Kult-Verteidiger Thomas Miller bestätigte der AZ, dass er gemeinsam mit Karsten Wettberg und Peter Grosser, dem „König von Giesing“ und einem Meisterlöwen – alles ausgewiesene Poschner-Gegner – mit Schneider am Mittwoch getagt hatte. „Wir wollen helfen, so lange er uns braucht. Das kann ein Treffen gewesen sein, es können aber auch weitere folgen“, sagte Miller, der sich nicht in vereinspolitische Dinge einmischen will. Er sagte aber auch: „Es geht darum, dass Poschner nicht alleine handelt und nicht alleine entscheidet, welche Spieler geholt werden. Das hat ja schon vergangene Saison nicht funktioniert.“
Poschner wehrt sich hartnäckig: „Hat sich mal jemand gefragt, was Torsten Fröhling und die Mannschaft denken? Sie sind die eigentlichen Leidtragenden! Es vergessen alle: Am Ende des Tages zählt nur das hier.“ Er zeigt auf den Platz, wo die Löwen ihr zweites Training abhalten. Ohne Neuzugänge.
Und was denken sie? „Die Mannschaft braucht Klarheit. Es muss jetzt schnell über die Bühne gehen“, sagt er und erzählt von einem konstruktiven Telefonat mit Schneider: „Er hat mir zugesichert, dass es schnell geht.“ Prompt verkündeten die Löwen in einer Pressemitteilung: Am Freitag werden Schneider und Bay in den Bayerischen Wald reisen. Klingt nach Entscheidung des Machtkampfes im Idyll.