Die Löwen lassen ihren Boss leiden
1860-Präsident Dieter Schneider begleitet seinen Klub trotz schwerer Erkrankung nach Hamburg. Doch die Mannschaft verspielt eine 2:0-Führung und verliert noch 2:4.
Hamburg - Dieter Schneider konnte froh sein, dass er sich sein Karamell- und Schokoladeneis schon in der Halbzeit gegönnt hatte. Da war die Welt für die Löwen am Millerntor schließlich noch in Ordnung. 1:0 führte der TSV 1860 durch den Elfmetertreffer Benny Lauths nach einer packenden ersten Halbzeit gegen St. Pauli. Es schien alles darauf hinzudeuten, dass die Kicker ihr Versprechen wahrmachen würden und dem kranken Präsidenten einen Nachmittag zum Genießen und Erholen bescheren würden.
Die Löwen in der Einzelkritik:
Als Schneider, der das Dachauer Krankenhaus nur für das Wochenende hatte verlassen dürfen, sich zu Beginn der zweiten Halbzeit wieder auf die Tribüne setzte, ging es zunächst auch gleich perfekt weiter. Kurz nach Wiederanpfiff bescherte Paulis Kevin Schindler per Eigentor den Löwen die Führung zum 2:0. Für Schneider, der sich vergangenen Montag wegen starker Erschöpfung und einem drastischen Gewichtsverlust – 16 Kilo im letzten Jahr – selbst ins Krankenhaus eingewiesen hatte und um eine Operation am Magen nicht herumkommen wird, schien es ein Wellness-Nachmittag beim Kiezklub zu werden.
Nach 90 Minuten aber musste man sich Sorgen machen, ob dem Präsidenten dieses Spiel nicht buchstäblich auf den Magen schlagen wird. 2:4 verloren die Löwen dieses verrückte Spiel nach indiskutablen und haarsträubenden Fehlern in der Abwehr am Ende noch.
Schneider war bedient. „Das war heute leider eine absolut katastrophale Abwehrleistung der Mannschaft. Der Sturm war in Ordnung, alles andere desolat. Das habe ich mir anders erhofft”, sagte der Präsident.
Der Trip nach St. Pauli war dem Präsidenten tatsächlich eine Herzensangelegenheit gewesen. Sonntagmorgen hatte sich der 64-Jährige in den Flieger gesetzt. Wohlwissend, dass so ein Auswärtstrip natürlich auch eine emotionale und physische Belastung sein kann. Aber Schneider wollte einfach dabei sein. „Ich hatte Freigang, das musste ich doch nutzen", erzählte er. Seinen Aufenthalt im Krankenhaus nannte er „eine Woche Luxusurlaub”, nach dem es ihm „schon etwas besser” gehen würde. Und so ließ er es sich auch nicht nehmen, vor dem Spiel in den Fanblock zu stapfen. Die mitgereisten Löwen-Fans feierten den Präsidenten wie einen Rockstar. Ihm selbst aber, das wiederholte er am Sonntag gleich mehrfach, sei das eigentlich gar nicht so recht gewesen. „Das ist zu viel. Das ist nicht richtig", erklärte er, „wenn man so einen Hype um eine Person macht, dann führt das zu nichts. Das habe ich in meinem Leben gelernt.” Wieso er dann trotzdem in den Block gegangen war? Schneider sagte: „Ich gehe doch nur da hin, weil das Tradition ist, weil sich das unseren Fans gegenüber gehört.” Na gut.
Ab Montag jedenfalls habe dann seine Gesundung wieder „erste Priorität" sagte Schneider. Das Spiel jedoch dürfte noch einige Tage nachwirken. Nach dem Anschlusstreffer durch Marius Ebbers (56.) fielen die Löwen-Reihen komplett auseinander. Sebastian Schachten nutzte nur wenige Sekunden nach Ebbers Treffer einen eklatanten Abwehrfehler der Sechzger (57.), dann folgte der Doppelschlag von Max Kruse (64./74.) – 2:4 nach 2:0, statt in der Tabelle auf Platz zwei zu springen sind die Löwen nun Siebter.
„Auf einmal haben wir völlig den Kopf und den Faden verloren”, meinte Coach Reiner Maurer sauer. Erklären konnten sich seine Kicker diesen Leistungseinbruch nicht. „Wir haben uns hier auf einmal total abschlachten lassen”, erkannte Volland nur. „Wir haben uns das Spiel selbst kaputt geritten. Es war völlig unnötig, das so aus der Hand zu geben”, meinte Kapitän Lauth.
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