"Dann müssen sie in Unterhaching spielen!"

MÜNCHEN - Zoff statt Einigung beim ersten Derby-Streit vor Gericht! Der TSV 1860, der seit Monaten zu wenig Geld fürs Catering in der Allianz Arena zahlt, sieht sich dennoch im Vorteil. Eine Entscheidung fällt jedoch erst Ende März.
Nur ein paar hundert Meter Luftlinie liegen zwischen der Säbener Straße 51 und der Grünwalder Straße 114, zwischen den Geschäftsstellen des FC Bayern und des TSV 1860. Ansonsten trennen Rote, den Rekordmeister, und Blaue, den Zweitliga-Zehnten, in jeder Hinsicht Welten. Um Punkte kämpfen die zwei Münchner Profiklubs schon seit über fünf Jahren nicht mehr miteinander. Fußball? Seit Monaten streiten die einstigen sportlichen Rivalen ums Essen, um die von 1860 einbehaltenen Zahlungen fürs Catering in der Allianz Arena. Seit Mittwoch sogar vor Gericht.
Im Vorfeld hatten sich 1860-Geschäftsführer Manfred Stoffers („Die Bayern haben sich in erster Linie selbst geholfen“) und der jetzige Bayern-Präsident Uli Hoeneß („1860 ist ein Mieter, mit dem eine seriöse Zusammenarbeit nicht möglich ist“) ordentlich gezofft. Zum ersten Gerichtstermin erschienen nun die Anwälte beider Seiten: für die Löwen das Duo Michael Priebe und Marc Weßling, für die Allianz Arena GmbH, eine 100-prozentige Tochter der FC Bayern AG, Gerhard Riedl.
Als die drei Advokaten eine gute Stunde später den Saal 301 des Landgerichts am Lenbachplatz verließen, war klar: Die Fronten sind verhärtet, der Streit droht sich auszuweiten. Und: Ein weiteres Verfahren, in diesem Fall geht es um den Verkauf der Stadionanteile an den FC Bayern im Jahr 2006, steht an.
Zwar hatte Richterin Elisabeth Watzinger versucht, eine „Mediation“, also eine außergerichtliche Einigung, einzuleiten. Damit biss sie jedoch bei Riedl auf Granit. „Das schließe ich aus! Verträge müssen eingehalten werden“, erklärte der Arena-Anwalt – und sagte später zur AZ: „Wir wollen das entschieden haben!“
Aus Riedls Sicht schuldet 1860 der Stadion-GmbH rund 500000 Euro. Die GmbH, quasi der FC Bayern, klagt auf Zahlung. Seit August bezahlt der TSV 1860, auf Initiative von Stoffers, beim Catering für die Business Seats nur noch jene Essen, die benötigt werden (rund 1500 statt 3000) und behält rund 50000 Euro pro Heimspiel ein.
Der Zweitligist bricht damit den Vertrag, sieht sich jedoch im Recht und fordert sogar, rückwirkend bis 2006, 2,1 Millionen Euro zurückerstattet zu bekommen.. „Dieser Vertrag ist der schleichende Tod für 1860“, sagte Anwalt Weßling. Sein Kollege Priebe meinte: „Unsere Partei ist über den Tisch gezogen worden.“
Der Kontrakt aus dem Jahr 2006, als der FC Bayern die Stadionanteile der Löwen übernahm, wurde zuletzt 2008 modifiziert; er sei sittenwidrig und kartellrechtlich fragwürdig. Sittenwidrig, weil er „von vornherein unwirtschaftlich“ (Weßling) sei. Dieser Argumentation konnte Richterin Waitzinger („Sehe ich eher nicht“) wenig abgewinnen.
Spannender ist die kartellrechtliche Frage: Nutzt die Allianz Arena GmbH eine Monopolstellung aus, da die Sechziger keine Stadion-Alternative haben? „Es gibt zwar das Sechzger und Unterhaching“, so Waitzinger, „doch das sind keine echten Alternativen.“
Eine Aussage, die Arena-Anwalt Riedl verärgerte. Plötzlich wurde der Gerichtstermin zum Juristen-Derby: Giftig, mit Biss – und emotional. Bayern-Riedl polterte: „Die Beklagte kann nicht die Allianz Arena nutzen und zahlen wollen wie in Unterhaching! Wenn ihnen das zu teuer ist, dann müssen sie eben auch in Unterhaching spielen!“ Alles sei eine Frage der „wirtschaftlichen Kompetenz“. Und: „Sie müssen doch nur diese 1500 Plätze vermarkten, dann ist das Problem gelöst!“ Der Konter von Löwen-Priebe: „Dann soll der Uli Hoeneß doch mal mit einem Bauchladen durch die Stadt laufen und die Business Seats verkaufen, wenn er denkt, das ist so einfach.“
Gegessen ist der Catering-Streit noch nicht. Das Landgericht muss entscheiden. Am 24. März trifft man sich wieder in Saal 301. Und die Löwen dürfen hoffen. Denn Richterin Waitzinger sagte: „Wenn es sich um den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung handelt, ist der Vertrag nicht zu halten.“ Und: „Dieser Gedanke ist aus meiner Sicht nicht so abwegig.“ Kein Wunder, dass die 1860-Anwälte darin einen Erfolg sahen. Priebe: „Aus welchem Grund der Vertrag gekippt wird, ist am Ende egal.“
Jochen Schlosser