Aufstiegsfeier im Vatikan

Der 1860-Präsident beim Papst: Die AZ begleitete Dieter Schneider auf seinem Weg zu Benedikt
von  Marco Plein

Rom - Den nächsten Programmpunkt muss Dieter Schneider absagen. Eigentlich will der Löwen-Präsident noch auf die Kuppel des Petersdom in Rom raufklettern, doch jetzt er verzieht er sich lieber ins Hotel, „ich muss mich mal ins Bett legen“, sagt er. In dem einen Jahr als Oberhaupt der Sechzger hat der 64 Jahre alte Schneider viel mitgemacht, doch einen solch emotional mitreißenden Moment wie jene 40 Sekunden, in denen er am Mittwochmittag mit Papst Benedikt XVI. bei dessen Generalaudienz sprechen durfte, hat er kaum erlebt.

Schon am frühen Morgen um zehn vor sieben sitzt er voller Vorfreude mit Gattin Gypsy auf einem Hoteldach am Piazza Montecitorio; als die Sonne aufgeht, schießen die Schneiders erste Erinnerungsfotos - doch sofort müssen sie los. Um kurz nach acht hält 1860-Begleiter, Pater Sebastian Raß, eine kurze Messe unter dem Petersdom, er hat’s eilig, alle haben’s eilig. Doch ein paar Späße müssen sein. „Der Himmel über Bayern ist weißblau und nicht rot“, predigt Raß, und als er Schneider in die Augen schaut, sagt er: „Sie sind unser bestes Schaaf im Stall seit Wildmoser. Bei Ihnen haben alle ein gutes Gefühl - nur der Ismaik nicht, der will Sie ja weghaben.“

Schneider lacht - der Investor ist tausende Kilometer weg. Dann macht Raß Schluss, die blaue Gemeinde eilt zur Audienzhalle Paolo VI. - Schneider stapft im feinen grauen Anzug über den Petersplatz voran. Drinnen packt ihn die Anspannung, in der riesigen Halle herrscht Stadionatmosphäre, Brautpaare kommen, Jugendgruppen singen, aus Panama, Chicago, Sydney und Paris sind sie gekommen. Schneider wippt zu ihren Liedern mit, die positive Atmosphäre packt ihn. „Als Kind musste ich barfuß zur Schule laufen, um Schuhe für den Winter zu schonen. Jetzt treffe ich den Papst. Unglaublich ist eine Untertreibung“, sagt er. Seine Hände sind feucht.

9.32 Uhr, neben ihm kommen die Fußballer von Atletico Madrid in die Halle (sie spielen im Europacup bei Lazio Rom), Schneider drückt Ex-Bundesligastar Diego eine Autogrammkarte in die Hand, der Brasilianer lacht. „Er will ihn zu Sechzig holen, deswegen sind wir wirklich hier“, sagt ein Löwenfan im Spaß.

10.29 Uhr, die Papstgarden treten auf, einer aus dem Löwen-Tross ruft: „Hier gibt’s W-Lan, es heißt Petrus!“ Schneider setzt sich noch mal hin, „ich muss mich sammeln, sonst ist mir das zu viel.“ In seiner vordersten Stuhlreihe sitzen 30 Leute, sie alle werden mit den Papst sprechen und haben Mitbringsel oder irgendwas zum Segnen mit. Der Oberlöwe zupft ein signiertes Trikot aus einer Tüte, hinter ihm legen seine Begleiter blaue Schals über - der Papst kommt. Die Menge, unter den 10 000 Gästen sind fast nur Kinder, schreit wie bei Justin Bieber. Schneider klatscht, „Be-ne-det-to“, wie ihn die Masse feiert, winkt, nach rechts und nach links und wieder zurück. Als um 11.22 Uhr die Löwen als „Bundesligamannschaft TSV 1860 München“ begrüßt werden, springen die blauen Gäste jubelnd auf – ein Moment wie eine kleine Aufstiegsfeier im Vatikan. Und dann sagt der Papst, seit sechs Jahren Ehrenmitglied bei den Sechzgern: „Ich Freude mich über die Anwesenheit des TSV 1860 München!“

Dann kommt Schneiders großer Moment. Der Dachauer packt Gattin Gypsy bei der Hand und stapft ein paar Treppenstufen zum Heiligen Vater hinauf - einmal dreht er sich noch um, zeigt das Löwen-Trikot in die Menge, doch dann treten die Kardinäle vor ihm ab und Papst Benedikt empfängt ihn - „ein unvergesslicher Moment“, schwärmt Schneider eine Minute später mit zittriger Stimme. „Das hat mich überwältigt.“

 

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