1860-Ikone Heiß über Pokalsieg gegen Frankfurt: "Feiertag für alle"
München - AZ-Interview mit Fredi Heiß. Der jetzt 79-Jährige ist Teil der legendären Löwenmannschaften, die 1964 den DFB-Pokal und 1966 die Meisterschaft holten, er war von 1959 bis 1970 für den TSV 1860 aktiv, acht Mal spielte er in der Nationalmannschaft (zwei Tore).

AZ: Herr Heiß, die Löwen spielen am Samstag im DFB-Pokal gegen Eintracht Frankfurt (15.30 Uhr, Sky und im AZ-Liveticker). Bei uns werden da automatisch Erinnerungen an den 13. Juni 1964 wach. Eine der Sternstunden der Löwen-Historie.
FREDI HEISS: Wir haben damals in Stuttgart gespielt - und zwar ein Spiel, das mittlerweile im Olympiastadion in Berlin stattfinden würde: das Finale des DFB-Pokals gegen Eintracht Frankfurt. Was für ein Duell! Ich weiß es noch wie heute: über 30 Grad, über 45.000 im Neckarstadion, darunter auch viele Löwen. Ein Glutofen und ein absoluter Hexenkessel. An diesem Tag haben wir der Eintracht keine Chance gelassen.
Und das, obwohl 1860 etwa 80 Minuten mehr oder weniger in Unterzahl spielen musste.
Unser linker Verteidiger, der Rudi Steiner, hatte sich früh verletzt. Anno dazumal waren Wechsel leider noch nicht erlaubt. Unser Trainer Max Merkel hat mich dann eine Position zurückgezogen - du kannst ja nicht mit fünf Stürmern spielen, wenn hinten einer fehlt. Der Rudi stand dann vorne nur noch herum und wurde auch noch ein bisserl gedeckt, aber mitspielen konnte er nicht mehr. Ich hab' genau ein einziges Mal Linksverteidiger gespielt bei Sechzig - und das war an diesem Tag.

Wilfried Kohlars in der 43. Minute und Rudi Brunnenmeier 20 Minuten später besiegelten den historischen Pokalsieg.
Ein super Endspiel! Und ein total verdienter Sieg. Es war schon sensationell, dass Frankfurt chancenlos war - trotz Überzahl! Wir hatten den absoluten Siegeswillen. Es war ein Feiertag für uns alle.
Keine große Feier nach Pokalsieg
Der damalige Löwen-Dompteur Merkel hat Sie zur Pause mit heißer Suppe versorgt.
Um Gottes Willen, hören Sie mir bloß damit auf. Die Suppe gab es öfter, seine Frau hat sie extra gesalzen. Damals hat man alles gemacht, worüber man heute nur den Kopf schütteln würde: Wenig trinken, weil ein trockener Körper angeblich leistungsfähiger ist. Nur ein mageres Filetstück und Salat am Tag vor dem Spiel. Dazu eben viel Salz, weil der Körper dann angeblich nicht so viel Flüssigkeit rauslässt. Wenn ich mich genau erinnere, hatte ich zu dieser Zeit öfter Kopfweh - kein Wunder. (lacht)
Womit wir bei der Pokalfeier wären: War der Tag danach ebenfalls geprägt von (Kopf-)Schmerzen?
Ich kann mich nicht erinnern, dass wir damals direkt danach groß gefeiert hätten. (lacht) Wir waren alle kaputt, aber wir waren glücklich. Nach der Rückreise nach München waren wir dann alle gemeinsam im Klösterl. Der Klösterlwirt, der Walter, das war ein absoluter Sechzger-Fanatiker. Der ist immer mit uns mitgereist. Mei, das waren noch Zeiten.
Was folgen sollte, war nicht weniger als die erfolgreichste Zeit der gesamten Vereinshistorie Ihrer Sechzger.
Wenn man so will, war der Pokalsieg gegen Frankfurt das erste große Highlight für uns. 1962/63 waren wir süddeutscher Meister, haben es in die Bundesliga geschafft. Ich brauche ja keinem erzählen, wie es weiterging: 1965 das Europapokal-Finale der Pokalsieger im legendären Wembley gegen West Ham. Wir sind danach in München sogar auf dem Rathausbalkon gefeiert worden, obwohl wir zwei zu null verloren haben. Die Meisterschaft '66 war der Höhepunkt. Der ganze Weg dorthin, den wir als Mannschaft zurückgelegt haben, der war wirklich toll. Angefangen vom Radi (Petar Radenkovic, d. Red.), der als Tormann in seiner eigenen Liga gespielt hat. Wir hatten insgesamt eine bärenstarke Truppe und sind mit dem Selbstvertrauen unserer Erfolge immer weiter gewachsen. Das war für uns alle die schönste Zeit unseres Lebens.
Besuch bei Adidas nach Pokalfinale
Zurück zum Pokalfinale gegen Frankfurt: Wissen Sie noch, welche Siegprämie sie damals bekommen haben?
Sie fragen mich Sachen. Ich weiß noch, dass wir für die Meisterschaft und den Finaleinzug '65 jeweils 3.000 Mark gekriegt haben - und zwar in einem Aufwasch nach dem Meistertitel, weil 1860 dann erst alles zusammenkratzen konnte. Sie sehen also: Geldprobleme hatten die Löwen schon immer, nicht erst heutzutage. (lacht) Aber was ich Ihnen noch erzählen kann, ist der Besuch in Herzogenaurach.
Bei Adidas?
Genau: Die ganze Mannschaft war damals zu Besuch bei Familie Dassler. Es gab Kaffee und Kuchen. Am Ende hat jeder von uns 150 Mark in einem Kuvert bekommen. Wahrscheinlich war das damals mit dem DFB abgestimmt. (lacht) Was man über die damaligen Zeiten aber auch sagen muss: Der DFB hat damals ja nix zugelassen an Firmenbeteiligungen oder Sponsorenaufschriften. Ein Fußballprofi konnte nicht mehr verdienen als zwölfhundert Mark, Prämien schon inklusive. Das war alles gedeckelt. Viele Spieler sind mit 30 Jahren auf der Straße gestanden. Das will nur heute keiner mehr hören.
Heiß glaubt nicht an Pokalsensation
Mit Pokalfinal-Torschütze Brunnenmeier, der auf die schiefe Bahn geriet, hat 1860 ein prominentes Beispiel.
Rudi ist leider abgestürzt, aber nicht nur er. Ich will da eigentlich gar keine Namen nennen. Schon tragisch, was da passiert ist. Mit Anfang, Mitte 30 konntest du damals nicht einfach umschulen oder hattest schon etwas in der Tasche. Von daher mussten sich viele begnadete Fußballer mit einfachen Jobs begnügen, für die man nichts lernen musste. Ich glaub', wir sprechen lieber wieder über andere Dinge.
Etwa über die Neuauflage des damaligen Pokalduells am Samstag in der 1. Runde: Wie soll Drittligist 1860 Bundesligist Frankfurt schlagen?
Es wäre die Überraschung schlechthin. Aber Sechzig hat ja jetzt lauter junge Burschen, die haben alle gegen eine solche Übermacht nichts zu verlieren. Also: Ärmel hochkrempeln und Frankfurt einen sauberen Fight liefern! Es ist nicht sehr realistisch, aber wenn sie es packen würden - das wäre ein Traum!
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