Tommy Haas zum Federer-Abschied: "Im ganzen Stadion flossen Tränen"
London/München - AZ-Interview mit Tommy Haas: Der 44-jährige Ex-Star erlebte den Federer-Abschied hautnah in London mit.
AZ: Herr Haas, wie jedes Jahr zur Wiesn-Zeit veranstalten Sie beim MTTC Iphitos Ihr Turnier "Tommy & friends". Eigentlich hätten Sie Ihren Kumpel Roger Federer mitbringen können – die Kappe vom Laver Cup tragen Sie ja noch.
TOMMY HAAS: Ja, ich war beim Laver Cup in London dabei, zum ersten Mal. Sehr genial, das live erleben zu können und Roger zu sehen – es waren auch immer eher längere Nächte, wie man an meiner Stimme noch hört. Wenn man mehrere Tage hintereinander nur drei, vier Stunden schläft, merkt man das halt in meinem Alter. Aber ich bin froh, dass ich dabei gewesen bin.

Wie haben Sie diesen letzten Abend des aktiven Spielers Federer erlebt?
Es war ein Abgang, wie man ihn sich wünscht und wie er ihn sich auch so vorgestellt hat. Es geht ja allen Spielern so, dass sie irgendwann entscheiden müssen: 'Jetzt ist es soweit.' Auch wenn man immer noch hofft: 'Jetzt fühle ich mich wieder besser.' Oder: 'Ach, der Körper hält ja doch noch ein bisschen.' Das ist keine leichte Situation. Irgendwann kommt der Punkt, und die Sportart ist immer größer als der Athlet. Man muss mit sich zufrieden sein und sagen können: 'Okay, das war's jetzt.' Ich habe ja auch ein paar mehr Informationen, wie es bei Roger im Hintergrund abgelaufen ist, aber ich freue mich für ihn, weil ich weiß, dass einem so ein Stein vom Herzen fällt: 'Das war jetzt mein letztes Match. Diese Frage muss ich nicht mehr beantworten.' Aber an diesem Abend dabei gewesen zu sein, ist ein Moment, auf den man in Jahren zurückblicken und sagen wird: 'Das war einfach mega!'
Haas: Federer wird dem Tennis treu bleiben
Wie lange wurde gefeiert?
Am Sonntagabend noch mal gemeinsam mit den beiden Teams. Das war sehr emotional. Es wird ihm erst jetzt bewusst, wenn es nun ein bisschen ruhiger wird. Bei jedem Turnier, bei dem er auftauchen wird, wird er großen Applaus bekommen, aber die Musik ist jetzt aus. Wegen der Pandemie hat er sich schon daran gewöhnen können. Das waren zwei komische Jahre, die wir alle durchleben mussten. Aber seine Kinder gehen jetzt zur Schule, er bereitet sich auf sein Leben nach der Karriere vor.
Wie wird das wohl aussehen?
Er wird nach wie vor für den Laver Cup tätig sein, er liebt den Sport wirklich. Vielleicht übernimmt er irgendwann die Käpt'n-Rolle, wenn Björn Borg mal eine Pause macht. Er wird sicher hie und da Exhibition-Matches spielen, und ich werde schauen, dass ich ihn in den nächsten Jahren ein bisschen in den Legends Team Cup mit rein bekomme, das macht Spaß. Aber er ist ja auch einer, der nicht nur an Tennis denkt. Aber generell kann er sowieso machen, was er möchte.
Sie waren nicht nur Gegner auf dem Platz, sondern sind Freunde geworden. Unvergessen Ihre gemeinsame Gesangseinlage mit dem Kollegen Dimitrov als die "Backhand Boys"!
Klar, wir sind gut befreundet. Er war auch auf dem Platz, als ich in Indian Wells offiziell meine Karriere beendet habe. Das ist schon eine besondere Freundschaft, und ich hoffe, dass wir in den nächsten Jahren noch viel Spaß auf dem Platz haben werden. Er ist on und off the court ein genialer Typ, nicht nur ein Sport-, sondern ein echter Welt-Star.

Nicht nur bei Federer flossen die Tränen, auch bei seinem ewigen Rivalen Rafael Nadal. Ist er die nächste Legende, die sich verabschieden wird?
Bei ihm weiß man auch nicht genau, wie es mit seinen Verletzungen weitergeht. Aber so ein Jahr hätte er sich auch nicht besser erträumen können: Australian-Open-Sieg, French Open auch gewonnen als hoher Favorit – da hätte er mit dem 14. Sieg auch schon gehen können. Jetzt wird er Vater, ist ja extra für Roger nach London gekommen, zu einer Zeit, in der an jedem Tag das Kind kommen kann. Auch die beiden haben eine unglaubliche Freundschaft und Respekt voreinander. Rafa war emotional wie Roger, im ganzen Stadion flossen Tränen. Schöne Bilder von zwei Ikonen des Tennis. Rafa wird sich überlegen, wie er seine Karriere beendet, wird Roger fragen, ob er dann auch zu ihm kommt. Aber ich glaube, er wird im nächsten Jahr noch ein letztes Mal angreifen.
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