Thomas Bach: Keine Kante, viele Freunde

Der Fecht-Olympiasieger von 1976 soll heute Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) werden. Was für ihn spricht, was dagegen.
Matthias Kerber |
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Der Fecht-Olympiasieger von 1976 soll heute Chef des Internationalen Olympischen Komitees IOC werden. Was für ihn spricht, was dagegen.

Buenos Aires - Wie ein fünffacher Heiligenschein türmen sich die Olympischen Ringe über dem Haupt von Thomas Bach, der dazu sein salbungsvollstes Ex-Ministranten-Gesicht aufsetzt, garniert mit einem Ich-kann-kein-Wässerchen-trüben-Lächeln. Jetzt macht sich der Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) auf, das Vize von seiner Visitenkarten streichen zu können und die Nummer 1 der Funktionärswelt zu werden. Bei der Wahl heute (Ergebnis gegen 17.30 Uhr) in der Vollversammlung in Buenos Aires ist der Fecht-Olympiasieger im Teambewerb 1976 der Favorit. „Ich denke, ich bin in guter Form”, sagt er. Er liebt die Allgemeinplätze des Sportlerwortschatzes. In der Ränkeschmied des Funktionärstums, der er seit 32 Jahren angehört, hat er gelernt, dass aneckt, wer Ecken zeigt. Also hält er sich nach außen bedeckt, da wird der FDP-Mann, der an seinem Hemden gerne das Monogramm „ThB” eingestickt hat, zu einer Art Bundeskanzlerin Angela Merkel der Sportwelt.

Bachs öffentliche Ungreifbarkeit ist Programm. Es ist die bittere Lehre aus einer seiner bittersten Stunden, als er sich positionierte. 1980 hatte Bach als Athletensprecher versucht, Kanzler Helmut Schmidt vom Boykott der Spiele 1980 in Moskau abzubringen. „Unsere Argumente wurden abgebügelt in einer Weise, die hart an der Grenze des Erträglichen war”, erinnert sich Bach. Folgt nun die Krönung des Kantenlosen?

Was spricht für Bach? Er ist bestens vernetzt in Politik und Wirtschaft. Als Ex-Sportler hat er auch bei den Athleten ein gewisses Ansehen. Zudem hat er sich mächtige Verbündete ins Boot geholt. Öffentlichkeitswirksam werben Franz Beckenbauer („Das wäre eine große Auszeichnung für uns alle”) und Dirk Nowitzki („Ich drücke die Daumen”) für ihn, doch viel wichtiger: Er hat sich die Loyalität von Ahmad al-Sabah gesichert. Der Scheich aus Kuwait leitet den mächtigen Weltverband aller Olympischen Komitees (anoc), und wirbt – entgegen der Vorschriften der Ethik-Komission des IOC, die ihn dafür maßregelte – offen für Bach. Al-Sabah erinnert genau so offen an einen angeblich vor zwölf Jahren besiegelten Pakt und merkt an, auch Bach habe seinen Teil der Abmachung zu erfüllen. Bach widerspricht energisch: „Es gibt keine Absprachen!”
Franz Reindl, Generalsekretär des Deutschen Eishockey-Bundes, glaubt an Bach: „Er ist ein Mann, der zu seinem Wort steht. Er sagt einem aber auch geradehinaus, was nicht geht. Diese Zuverlässigkeit brauchen wir dringend.”

Was spricht gegen Bach: Die gleichen Verquickungen, die ihm helfen, bringen auch Kritik. Gegenkandidat Denis Oswald attackierte Bach scharf: „Einige mögen die Verknüpfungen zwischen Bach und Kuwait nicht. Wir beide vertreten nicht die selben Werte.” Auch dass der despotische ehemalige IOC-Präsident Juan-Antonio Samaranch als einer der großen Gönner Bachs gilt, kratzt am Saubermann-Image. „Ich frage mich, ob es gut ist, wenn einer als Nachkomme von Samaranch gilt”, sagte Grünen-Politikerin Viola von Cramon, Mitglied des Sportausschusses des Bundestags, in der „Frankfurter Rundschau”. „Samaranch war ein kleiner Macchiavelli. Keiner der jetzigen Kandidaten beherrscht die Tricks und den Umgang mit den Leuten wie Samaranch”, sagt Walther Tröger, deutsches IOC-Mitglied von 1989 bis 2009, im „Tagesspiegel”. „Wenn überhaupt einer dazu fähig ist, dann Thomas Bach.” Ein mehr als zweischneidiges Kompliment.

Wofür steht Bach? Der scheidende Präsident Jacques Rogge hat die Korruption und Vorteilsannahme, die im IOC lange dazugehörte, bekämpft. Bach würde diesen Kurs weitergehen, doch in all seinen mannigfaltigen IOC-Funktionen hat er ansonsten tiefgreifende, umfassende Reformen kaum angestoßen. Bach ist der Kandidat des Status Quo. Eine Machtverlagerung weg von Europa würde so abgeschmettert, trotz Bachs Banden nach Arabien. Auch in der Dopingproblematik würde sich wohl nicht viel tun. Bach fordert ein striktes Vorgehen gegen Doping, lehnt aber ein Anti-Doping-Gesetz bisher ab. Das empfinden viele als zu lasch. „Ich bin froh, dass die Justizminister der Länder jetzt vorpreschen und Bach in Zugzwang bringen”, sagt Münchens Doping-Experte Helmut Pabst. 

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