Tegernseer Skicrosser Florian Wilmsmann: "Mit Angst wird's gefährlich"
AZ-Interview mit Florian Wilmsmann: Der 25-jährige Freestyle-Skifahrer vom Tegernsee hat sich auf die Disziplin Skicross spezialisiert und 2018 an den olympischen Winterspielen in Pyeongchang teilgenommen.
AZ: Herr Wilmsmann, das Jahr 2020 haben Sie mit starken Leistungen beim Weltcup in Val Thorens (Platz drei und fünf) abgeschlossen, was ist jetzt am Wochenende in Idre Fjäll (Schweden) für Sie drin?
FLORIAN WILMSMANN: Ich bin recht zuversichtlich. Wir haben uns gut vorbereitet und ich freu mich auf die Rennen.
Skicross: Weltspitze ist immer eng zusammen
Im Skicross scheint der Erfolg noch weniger planbar, als in den klassischen Alpin-Disziplinen, immerhin spielt hier der unberechenbare Faktor Mensch eine ganz entscheidende Rolle.
Das ist schon richtig. Die Weltspitze ist bei uns so eng zusammen, dass man eigentlich ab dem Achtelfinale immer starke Gegner hat. Es da ein wenig gemütlicher anzugehen, kann man komplett vergessen. Von Runde eins weg brauchst du Topleistungen. Und dann bist du ja noch mit drei anderen auf der Strecke. Natürlich versucht man, zu antizipieren, was die Gegner machen. Aber manchmal läuft's einfach blöd, dann fährt dir einer über die Ski, du stürzt und bist raus.
Wann haben Sie gemerkt, dass Sie lieber gegen andere, als gegen die Zeit fahren?
Skicross ist ja erst durch die Olympia-Premiere in Vancouver 2010 so richtig bekannt geworden. Ich war zu dieser Zeit noch bei den alpinen Rennfahrern im Schülerkader. Ein paar Kumpels und ich haben dann gesagt: ‚Skicross probieren wir jetzt einfach mal aus.' Und dabei habe ich schnell gemerkt, dass mir das Mann-gegen-Mann-Fahren liegt.
Ellbogenmentalität: "Man muss sich im Rennen schon durchsetzen"
Was ist beim Skicross wichtiger: Eine saubere Technik oder eine ausgeprägte Ellenbogenmentalität?
Ellenbogenmentalität, das hört sich so brachial an. Aber man muss sich im Rennen schon durchsetzen, man muss standhaft sein und seine Linie verteidigen können. Allerdings immer fair und im Rahmen des Reglements. Ein filigraner Techniker muss natürlich anders fahren als so ein Brocken mit 120 Kilo auf den Hüften, der geht in einen Lauf und sagt: "Mich drückt hier keiner weg". Aber das ist ja auch das Besondere am Skicross, das verschiedene Wege zum Erfolg führen.

Was ist Ihre Spezialität?
Ich bin eher der Allrounder. Mit einem guten Start kann ich vorne weg fahren, aber ich verliere auch nicht die Nerven, wenn ich hinten liege, sondern versuche mir eine taktische schöne Linie rauszusuchen, mich im Windschatten anzusaugen, um die Konkurrenten zu überholen.
Florian Wilmsmann: Es gibt wenig schlimme Stürze im Skicross
Kann man mit dem Konkurrenten, der einen gerade eben aus der Kurve gedrückt hat, danach noch unbeschwert ein Bier trinken gehen?
(lacht) Ja klar. Prinzipiell ist es ja erlaubt, zu versuchen, das Tor für den anderen zuzumachen, den anderen zu blockieren. Über solche Situationen ärgert man sich dann auch extrem, ist doch klar. Aber am besten spricht man sich im Ziel gleich danach aus und dann ist das auch schon wieder vergessen.
Weite Sprünge, Steilkurven, spektakuläre Überholmanöver. Skicross ist aktuell die spektakulärste Ski-Disziplin - auch die gefährlichste?
Der Eindruck täuscht. Durch die Sprünge, die Wellen, die Kurven schaut es bei uns natürlich gleich viel spektakulärer aus, wenn mal was passiert, aber im Weltcup ist das Niveau der Fahrer mittlerweile so hoch, dass eigentlich wenig schlimme Stürze vorkommen.
Probleme bei Olympia 2018 in Pyeongchang
Bei Olympia 2018 in Pyeongchang beschwerten sich zahlreiche Athleten über die Gigantomanie der Streckenbauer, die damit Stürze und Verletzungen quasi forciert hätten.
Wenn die Kurse gut funktionieren, passiert wirklich wenig. Aber in Pyeongchang war das Problem, das die Sprünge relativ knapp auf einander folgten. Wenn man da einen nicht richtig traf und zu weit flog, war man für den nächsten Sprung dann nicht mehr richtig vorbereitet. Das hat damals zu den vielen Stürzen geführt. Danach gab es unter uns Athleten auch einige Diskussionen über den Kursbau, wie sich, die daraus resultierenden schweren Verletzungen verhindern lassen. Da hat sich in den letzten Jahren echt viel getan. Aber ganz grundsätzlich muss man auch sagen: Skicross ist wie der alpine Abfahrtssport auch eine Risikosportart.
Klingt nach: Wer Angst vor Hitze hat, sollte nicht in der Küche arbeiten…
Sobald man mit Angst fährt, wird's echt gefährlich. Denn dann fährt man zu passiv und genau dann passieren auch die Stürze.
Was sollte in den nächsten Rennen passieren, damit Sie diese Saison besonders positiv in Erinnerung behalten werden?
In den letzten Jahren war ich zweimal Fünfter im Gesamtweltcup. Von daher wäre die Top 3 diesmal schon cool.
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