Sensation! Pleite für Nadal

Wimbledon: Zwei Wochen nach dem Triumph in Paris verlor der Spanier in Runde eins. Er unterlag dem Weltranglisten-135. Darcis glatt in drei Sätzen – droht nun wieder eine lange Pause
Jörg Allmeroth |
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LONDON - Toni Nadal war auf seinem Platz in der Ehrenloge längst zusammengesackt und immer kleiner geworden. Ganz so, als wolle er von diesem Ort verschwinden. Von einer Stätte des Schreckens, vom Schauplatz einer der größten Tennis-Sensationen der letzten Wimbledon-Jahre. Doch am Ende musste der Mann, der den Matador von Manacor wie kein zweiter kennt, alles bis zum bitteren Schluss mitansehen: die 6:7 (4:7), 6:7 (8:10), 4:6-Niederlage seines Neffen Rafael Nadal gegen den Belgier Steve Darcis, das erste Erstrunden-Aus in der Karriere des Superstars – und die zweite frühe Turnierpleite hintereinander, nach dem Zweitrunden-Abschied im Vorjahr gegen den Tschechen Lukas Rosol. „Es ist hart, jetzt schon gehen zu müssen. Aber das ist Sport“, sagte der geknickte Verlierer hinterher. Noch vor zwei Wochen und einem Tag hatte Nadal auf dem Centre Court von Paris als erster achtmaliger Champion bei einem Grand Slam-Turnier den French Open-Siegerpokal in die Höhe gestemmt.


Aber dass er anschließend für die Rasenfestivitäten im deutschen Halle abgesagt hatte, auf Anraten seiner Ärzte, deutete schon an, dass sich der bullige Spanier in der langen, strapaziösen Sandplatzsaison bis an die Grenzen des Möglichen verausgabt hatte.


Von der Dynamik, Energiegeladenheit und Power, die ihn beim Siegeszug in den Frühlingswochen auf roten Ascheplätzen ausgezeichnet hatten, war im All England Club, auf dem sattgrünen Rasen des Court Eins, nichts mehr übrig geblieben – in den letzten Minuten des letzten Satzes war stattdessen das genaue Gegenteil zu besichtigen.


Ein angeschlagener Nadal, ein verletzter Nadal, ein Nadal, der kaum noch einen Ball auslaufen konnte. Ein Nadal, der keine Antworten gab, sondern Rätsel hinterließ? Gefragt, ob nach diesem Spiel eine ähnlich lange Verletzungpause wie nach Wimbledon 2013 zu befürchten sei, also eine Zwangsabstinenz von rund sieben Monaten, sagte Nadal später: „Ich werde früher zurückkommen.“ Wobei diese Replik Raum für Interpretationen und Spekulationen ließ - zum Beispiel auch für die Prognose, dass Nadal die ungeliebte Hartplatzsaison in Nordamerika auslassen könnte. Und damit auch die US Open.


Auch die Frage, ob Nadal es bei seinem Comeback seit Februar überdreht und übertrieben haben könnte, stellte sich nach dem fatalen Knockout beim Saisonhöhepunkt in London. Von Sandplatzturnier zu Sandplatzturnier war der Mallorquiner geeilt, hatte sieben Turniersiege geholt – doch dafür bezahlte er mit körperlicher Erschöpfung und offensichtlich neuen Verletzungsproblemen am Problemknie einen scheinbar hohen Preis.


Gegen Darcis, den Belgier mit dem Spitznamen „Der Hai“, wirkte Nadal nie auf der Höhe seines Könnens und seiner Kunst. „Das Ganze ist auch ein Schock für mich“, sagte Darcis später, „ich hab´ das nicht wirklich erwartet.“ Doch mit 53 Gewinnschlägen, darunter 13 Assen, zermürbte er den nicht fitten Spanier – zudem punktete Darcis hartnäckig immer dann, wenn es wirklich zählte. Auch in den ersten beiden Tiebreaks, die er 7:4 und 10:8 gewann. „Ich suche nach keinen Entschuldigungen“, sagte Nadal, „ich mache nur ein Kompliment an meinen Gegner. Der war einfach besser als ich.“


Zwölf Mal hatte Darcis bei den letzten 18 Grand Slam-Auftritten in der ersten Runde verloren, der Mann, der eher zu den Mitläufern im großen Tennisgeschäft zählt. Doch die Hauptrolle an diesem ersten Wimbledon-Tag des Jahres 2013 ließ er sich partout nicht mehr nehmen, verteidigte im dritten Satz tapfer ein frühes Break.


Als das 13. Ass beim ersten Matchball des Belgiers im Feld von Nadal einschlug, war sie perfekt – die wahrscheinlich schon größte Überraschung dieses ganzen Turniers gerade mal sieben Stunden nach den ersten Ballwechseln überhaupt. Eine Überraschung allerdings, die Auswirkungen weit über diesen Tag hinaus haben könnte, auch und besonders für die Architektur des Herrentennis.

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