Schützin Munkhbayar Dorjsuren: Schamanin im Dirndl

Die deutsch-mongolische Schützin Munkhbayar Dorjsuren hat schon für beide Nationen eine Bronzemedaille bei Olympia geholt. Die Spiele in London sind bereits die sechsten ihrer Karriere
von  Joscha Thieringer
Schützin Munkhbayar Dorjsuren.
Schützin Munkhbayar Dorjsuren. © dpa

MÜNCHEN Tee kochen ist für Munkhbayar Dorjsuren nicht einfach nur Tee kochen. Die 43-jährige Sportschützin verbindet damit auch etwas Spirituelles. „Wenn ich morgens mongolischen Tee koche, werfe ich ab und zu mit einem speziellen Teelöffel etwas davon in die Luft und bete. Es ist eine Gabe an die Welt und an Mutter Natur”, erzählt die gebürtige Mongolin, „dieses schamanistische Ritual habe ich so von meinen Vorfahren gelernt.”

Seit 2002 ist Dorjsuren deutsche Staatsbürgerin – und damit eine der wenigen Athleten, die für zwei Länder Olympia-Medaillen gewann: 1992 in Barcelona war sie die erste Frau, die für die Mongolei Edelmetall holte, 2008 in Peking kam für Deutschland erneut Bronze hinzu. Bei den Olympischen Spielen in London hat Dorjsuren eine weitere Medaille – am liebsten in einer anderen Farbe – im Visier. So offen sagt sie das natürlich nicht: „Mein Ziel ist es, ins Finale der besten Acht zu kommen. Dann ist alles möglich.” Am 29. Juli tritt Dorjsuren in der Disziplin „Luftpistole zehn Meter” und am 1. August beim Wettkampf „Sportpistole 25 Meter” an.

Seit einigen Jahren lebt sie im Münchner Norden. „Ich fühle mich sehr wohl hier”, sagt sie, „von meinem Stadtteil Harthof bin ich sehr schnell am Schießstand in Garching.” Die Frage, ob sie denn auch ein Dirndl besitze, beantwortet Dorjsuren, Spitzname „Munk”, fast ein wenig beleidigt: „Ja klar, das brauche ich doch, wenn ich auf die Wiesn gehe!”

Für Dorjsuren sind die Sommerspiele in London bereits die sechsten in ihrer Karriere, die 43-Jährige gehört damit zu den drei erfahrensten Athleten im deutschen Olympia-Kader. „Wahrscheinlich gehe ich etwas routinierter als andere an die Sache ran, aber jede Teilnahme ist anders, es war jedes Mal auf eine spezielle Art sehr schön”, sagt Dorjsuren. Ob sie an der großen Eröffnungsfeier am Freitag teilnehmen wird, weiß sie noch nicht. „Das entscheide ich spontan vor Ort. Das kommt darauf an, wie groß der Aufwand wäre, ich bin ja bereits am zweiten Wettkampftag dran.”

Dorjsuren wird auch wegen ihrer professionellen Einstellung geschätzt, sie ist eben dankbar, was ihr bislang im Leben ermöglicht wurde – auch durch die Deutsche Sporthilfe. Denn nachdem sie Anfang des Jahres ihren Sportpistolenhersteller wechselte, ist die 43-Jährige auch ihren dortigen Job als PR-Referentin los. Ihr Status sei derzeit sozusagen als „arbeitslos” zu umschreiben, das Sporthilfe-Stipendium „Elite Plus” sei ihre Rettung. „Bis London ist die Stiftung praktisch mein Arbeitgeber, der monatlich mein Gehalt bezahlt."

Das sind immerhin 1500 Euro monatlich. Nach den Sommerspielen will Dorjsuren mit ihrem Mann Battulga ein Import-Export-Geschäft für Deutschland und die Mongolei aufbauen. „Vor allem für Schießsport-Artikel, aber auch für alles andere.”

Dorjsuren ist es wichtig, dass sie die Unterstützung ihrer Familie spürt. Nach dem Medaillengewinn in Peking fiel sie ihrer Tochter Ujin in die Arme, es flossen viele Freudentränen. „Ich freue mich sehr, dass meine Tochter in London wieder mit dabei sein wird”, sagt sie. Die 18-Jährige geht in München aufs Sophie-Scholl-Gymnasium und „hat ihren Flug schon gebucht”, erzählt Dorjsuren, „auf das Visum meines Mannes warten wir allerdings noch, er hat nämlich nur einen mongolischen Pass.”

Als sportlicher Glücksbringer kommt Dorjsurens schamanistische Tee-Gabe in London übrigens nicht zum Einsatz: „Dieses Ritual führt man nur zuhause aus.”

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