Post aus Wimbledon: Fred Perry, Jogi und die Queen

MÜNCHEN - Heute soll englische Queen nach Wimbledon kommen. Haben wir alle hier gehört. Aber warum heute? Und warum nach Wimbledon? Die AZ-Kolumne von Gunther Beth.
Seit 33 Jahren hat sie den Weg an die Church Road nicht mehr gefunden - und, ehrlich gesagt, es hat sie auch keiner so richtig vermisst. Die Windsors konnten dem Tennisspiel noch nie viel abgewinnen, sie haben es ja mehr mit Ross und Reiter. Aber vielleicht spürt englische Queen, daß sie ihren Untertanen jetzt königlichen Beistand spenden muss, denn so geht‘s ja nicht mehr weiter: Man kann nicht Fussball und Tennis erfinden und selber nur noch zugucken. Wo bleibt ein neues Wembley-Tor, um mal wieder Weltmeister zu werden?! In Südafrika derart unrühmlich ins Achtelfinale zu runpeln, ist echt grenzwertig. Aber am Sonntag geht es nun gegen Lieblings-Feind Deutschland. Sie haben englische Queen, wir haben Jogi. Advantage Kismet!
Und wo, bitte schön, ist ein neuer Fred Perry? Der - das weiss hier jedes Kind - war der letzte englische Mann, der Wimbledon gewann, und zwar gleich dreimal hintereinander: 1934, `35 und `36. Um an diese Großtat zu erinnern, hat der All England Club eine schöne Bronze-Statue gießen lassen: Der Meister mit seinem unvergleichlich eleganten Hüftschwung in einem Rasenbeet, umrahmt von duftenden Teehybrid-Rosen - so begrüßt er alle Besucher, sobald sie die Anlage betreten. Auch für mich war das der erste erhabene Eindruck, als ich 1991 mein Debüt im Tennis-Garten Eden hatte. Damals habe ich „Big Perry“ sogar noch live erlebt. Auch als 90jähriger stand er täglich noch ein Stündchen auf dem Platz - Alter schützt vor Tennis nicht. Aber nun ist er auf einmal weg! Sie haben ihn einfach abgeräumt. Dort, wo er zu seiner Vorhand und zu meiner Begrüßung ausholte, steht nun eine Glastür, hinter der kitschige Andenken verkauft werden. Und für diesen Tinneff hat man tat sächlich das schönste Souvenir des ganzen Areals geopfert. Warum?!? Will man mit dem großen Idol vielleicht auch die Schmach tilgen, dass zum ersten Mal, seit es dieses Turnier gibt (1877) kein einziger Engländer am Start ist? Zwar jubelt die gesamte Presse hier Andy Murray als Geheim-Favorit hoch, aber der ist ja gar kein Engländer, sondern Schotte, trägt aber zumindest das Nationalkürzel GB.
Bei den Damen durften immerhin drei Engländerinnen antreten, von denen allerdings keine die 2.Runde erreicht hat. Da ist die deutsche Bilanz schon besser, wenn auch nur relativ: Von unseren sechs gestarteten Mädels ist noch Angelika Kerber dabei - sie trifft in der 3.Runde auf die Australierin Jarmila Groth, eine lösbare Aufgabe. Für Julia Görges, unser Fräuleinwunder aus Bad Oldesloe, war es jetzt der dritte Wimbledon-Einsatz - und das ist wörtlich zu nehmen: Mehr als insgesamt einen Satz hat sie hier leider noch nicht gewonnen. Aber auch mit 21 weiß man ja schon: Die Hoffnung stirbt zuletzt..
Gunther Beth