Mayers zweites Leben – mit 25

Florian Mayer, eine deutsche Tennis-Hoffnung. Er wollte schon aufhören und nahm eine Auszeit. Nun sagt er: „Ich habe so viel Spaß am Tennis wie nie zuvor.“
MELBOURNE Im verrückten Sommer 2004 nannte ihn sogar die „Times“ das „German Wunderkind“. Es war die Zeit, in der Florian Mayer der heißeste Aufsteiger im Profitennis war. Es war die Zeit, in der die Türen zur großen Tenniswelt weit offen schienen für ihn. Es war die Zeit, in der er als „Regisseur von Bayreuther Tennisfestspielen“ (Independent) von Platz 250 bis Platz 34 in der Hackordnung der Profitour stürmte, in der er als unkonventioneller, frecher Neuling sogar Wimbledon durcheinanderwirbelte und das Viertelfinale erreichte. Danach wurde er sogar fürs Davis-Cup-Relegationsspiel gegen die Slowakei berufen. Da sagte Florian Mayer: „Wenn man Zweifel hat, kann man nichts erreichen. Ich habe keine Zweifel.“
In diesen Australian-Open-Tagen, da die Saison 2009 Fahrt aufnimmt, sagt Mayer, er habe sich „nie im Leben träumen lassen, dass es einmal soweit kommt, dass ich keinen Bock mehr aufs Tennis habe“. Doch letztes Frühjahr passierte es: Mayer, ohnehin schon in der Krise, verlor Spiel um Spiel, gleich acht Mal schied er nacheinander in der ersten Runde aus. Schließlich, kurz vor den French Open, zog der Bayer die Notbremse und verordnete sich eine Denk- und Schaffenspause: „Ich war ausgebrannt, lustlos, am Ende meiner Kräfte“, sagt Mayer.
Es war ein Eingeständnis, in der Glitzerwelt des Tennis gescheitert zu sein. Aber zu seiner Schwäche gestanden zu haben, bereut Mayer keine Sekunde: „Es war die beste Entscheidung meines Lebens, dass ich mich mal ganz vom Tennis verabschiedet habe.“
Jetzt ist Mayer wieder da. In der Champions League, auf einer großen Bühne, beim Grand-Slam-Spektakel in Melbourne. Selbstbewusster, souveräner, sicherer als früher. Die Müdigkeit, die Lethargie des letzten Jahres sind wie weggeblasen. In der Weltrangliste steht er noch auf Platz 430, aber das stört ihn nicht. „Ich habe so viel Spaß am Tennis wie nie zuvor“, sagt Mayer. Die zweite Runde hat er in Melbourne erreicht, durch einen fixen 6:2, 6:1, 6:2-Sieg über den Algerier Lamine Ouahab.
Das Schicksal, wusste Realist Mayer, war ihm zunächst gnädig gewesen: „Das war so ziemlich das Leichteste, was man bei einem Grand Slam-Turnier als Gegner erwischen kann.“ Nun freut sich Mayer auf seinen nächsten Gegner, den jungen argentinischen Star Juan Martin del Porto: „Ein echtes Pfund, eine geile Herausforderung.“
In Internetforen kursierten nach Mayers klammheimlichem Abgang im letzten Frühjahr schon Gerüchte, er sei ganz zurückgetreten. Gedacht hatte der elegante Techniker Mayer „zwei, drei Mal“ sogar daran, als ihm das Tour-Leben über den Kopf wuchs und die Erfolge völlig ausblieben. Am Ende einer wahnwitzigen Achterbahnfahrt in schwindelnde Höhen und tiefste Täler war er seinerzeit ein Häuflein Elend gewesen, schlichtweg dem Leistungsdruck in der Tretmühle Tennistour nicht mehr gewachsen. Mayer: „Ich war zu schnell zu weit nach oben gerauscht. Die Entwicklung war total ungesund.“ So steht Mayer stellvertretend für viele Jungstars, die im Profigeschäft vom jähen Erfolg überrollt werden und nach starkem Start wieder in die Tiefe rauschen. Fast immer auch, weil es an kompetenten Beratern und psychologischer Betreuung fehlt. „Ich habe sogar Angst gehabt, irgendwann auf einen großen Centre Court zu marschieren“, sagt Mayer. Erst heute, mit 25, sei er wirklich bereit für sein zweites Leben auf der Tour. „Ich habe das Beste in meiner Karriere noch vor mir. Da bin ich sicher.“
Jörg Allmeroth