Kohlschreiber: „Ins offenene Messer gelaufen“
Philipp Kohlschreiber hat die Sensation in Wimbledon verpasst und gegen Federer verloren. Haas muss nachsitzen, das Match gegen Cilic wurde wegen Dunkelheit abgebrochen.
LONDON Erst sah es nach einem schmerzlich-schaurigen Ausflug ins Herz von Wimbledon aus, nach einem Debakel beim Debüt auf der schillerndsten Tennisbühne der Welt. Doch als Philipp Kohlschreiber nach zweieinhalb Stunden Spielzeit schließlich den Centre Court im All England Club verließ, da hatte er zwar das Rendezvous mit Maestro Roger Federer 3:6, 2:6, 7:5 und 1:6 verloren, aber gleichzeitig auch Sympathien und Anerkennung für seinen großen Kampf gegen den Serienchampion gewonnen.
„Es war ein ziemlich hartes Stück Arbeit. Für diesen Sieg musste ich das bestes Tennis in diesem Turnier spielen“, sagte der Schweizer Grasflüsterer, der erstmals bei den Offenen Englischen Meisterschaften 2009 einen Satz abgab. Für den 27-jährigen kommt es jetzt im Achtelfinale zu einer Neuauflage des French Open-Endspiels gegen Robin Söderling (Schweden).
„Ich habe am Anfang taktisch zu naiv gespielt, war zu verkrampft, da bin ich Roger immer wieder ins offene Messer gelaufen“, sagte der Bayer, der zuvor nur einmal, 2006, über die Auftaktrunde in Wimbledon hinausgekommen war. Auf einem der großen Plätze an der Church Road, also entweder dem Centre Court oder Court Eins, hatte Kohlschreiber bislang freilich noch nie seinem Hand-Werk nachgehen können. Aber an den neuen, ganz anderen Wimbledon-Umständen auf dem Topplatz lag Kohlschreibers Niederlage nicht, wie er selbst klar erkannte: „Es war einfach eine Qualitätsfrage. In der Form von heute kommst du nicht gegen ihn an.“
Zwei Sätze lang wirkte das Duell zwischen dem „genialen Wimbledon-Gärtner“ (The Independent) Federer und seinem Herausforderer aus Deutschland wie ein Kampf in zwei unterschiedlichen Gewichtsklassen. Wie ein Tennis-Pistolero feuerte der 27-jährige Basler Großmeister aus allen möglichen und unmöglichen Winkeln die Bälle ab - und zielte dabei mit geradezu magischer Präzision immer ins Schwarze. „Er war vom ersten Punkt an hellwach und locker zugleich. Er hat sich überhaupt keinen Schlendrian geleistet“, sagte Kohlschreiber. Erst mit dem Mute der Verzweiflung, schon nahe an einer bitteren Demütigung, kam Kohlschreiber besser in sein bisher größtes, spektakulärstes Wimbledonspiel. „Kohlschreiber lieferte auf einmal einen brillanten Kampf. Er gab alles, absolut alles", bilanzierte im BBC-Fernsehen Ex-Profi Tim Henman.
Tommy Haas musste am Freitagabend in die Warteschleife. Wegen Dunkelheit wurde seine Drittrunden-Partie gegen den Kroaten Marin Cilic beim Stand von 7:5, 7:5, 1:6, 6:7 (3:7), 6:6 auf Samstag vertagt.
Jörg Allmeroth