"Ivan, du hast mich erst zum Sieger gemacht!"

Nach seinem historischen Triumph in Wimbledon gilt Murrays Dank einem Mann: Trainer Lendl. Doch den lassen die Lobeshymnen kalt.
Jörg Allmeroth |
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Nach seinem historischen Triumph in Wimbledon gilt Murrays Dank einem Mann: Trainer Lendl. Doch den lassen die Lobeshymnen kalt.

London - Als er kurz nach seinem „Schlag in die Unsterblichkeit" („Guardian”) hinauf in die Ehrenloge stieg, der umjubelte Champion und Held der Nation, da umarmte Andy Murray zuallererst einen Mann, der immer an Wimbledon gescheitert war. Nachdem er ihn fest gedrückt hatte, den nicht mehr ganz so grimmigen und sogar ein wenig lächelnden Ivan Lendl, sprach er ihm dann auch bei jeder seiner Siegerreden den größten und emotionalsten Dank aus: „Ivan, Du stehst für diesen Erfolg”, sagte Murray, „Du hast mich als Spieler verändert und zum Sieger gemacht.”

So war sie die letzte und vielleicht größte Geschichte dieses verrückten Wimbledon-Turniers 2013 – die Geschichte der ungewöhnlichen Partnerschaft des 26-jährigen Schotten, der vom einst verspotteten Versager auf den grünen Feldern zu deren Be-herrscher wurde. Und von Lendl, der nach seinem ewigen, fast tragischen Scheitern als Wimbledon-Spieler nun doch noch Wimbledon gewonnen hatte – als Trainer. Gras sei etwas für Rindviecher, hatte er einst gesagt nach all seinen vergeblichen Anläufen auf den Grüns. Und jetzt? „Ich bin froh, dass ich Andy helfen konnte”, sagte der 53-Jährige gewohnt wortkarg.

Spiel, Satz, Sieg und Sir Andy also auch noch. Wer würde es nicht für unmöglich halten nach dieser Erfolgsliaison, die zum dicksten Eintrag in den Geschichtsbüchern führte – in Wimbledon 2013. Am Ende der Titel-Dürre, 28127 Tage nach Fred Perrys Sieg im Jahr 1936, am 7.7. und 77 Jahre später. „History Boy” titelte die „Times” über den jungen Schotten, der Lendl am Neujahrstag des Jahres 2012 der Weltöffentlichkeit als neuen Trainer vorgestellt hatte. Doch wo steht Murray nun? Als er nach der kurzen ersten Nacht als Wimbledon-Sieger aufwachte, als zum ersten Mal die Größe des Ganzen ins Bewusstsein einsank, da war er ja irgendwie auch als Nummer 2 der Weltrangliste die gefühlte Nummer 1. „Eins darf hier niemand vergessen: Den Effekt, den die Verpflichtung von Lendl für Murray hatte”, sagte Boris Becker über Lendl, den er 1986 bei seinem zweiten Wimbledonsieg im Finale geschlagen hatte.

Niemals hatte Lendl in Wimbledon triumphiert. Dass es ihm nun gelang, den kaum weniger verbissenen Murray von diesem lähmenden Erfolgsdruck daheim zu befreien, war wohl Lendls Königsverdienst. „Tennis hat er ihm nicht beibringen müssen”, sagte Tim Henman, einst vier Mal in Wimbledon im Halbfinale ausgeschieden, „er hat ihn aber mental beruhigt und war die feste Stütze für Andys Psyche.” Jener Lendl, der in Murrays Spielen mit unerschütterlichem Pokerface auf der Tribüne sitzt. „Du musst ruhig sein, dann ist auch der Spieler ruhig”, sagt Lendl.
Tatsächlich sind sie inzwischen nur noch sehr selten zu sehen, diese jähzornigen Wutausbrüche Murrays, die Selbstbeschimpfungen und Zornestiraden. Auch da kommt Lendl ins Spiel: Lendl, 53, der fitteste Spieler seiner Zeit. Einer, der die komplizierten psychologischen Muster in Murray nachempfinden kann: Denn bevor er auf den Centre Courts der Welt seinen Siegeszug antrat, verlor Lendl die ersten vier Major-Finals. Murray teilte das Schicksal seines neuen Coaches – in den ersten vier Grand Slam-Endspielen ging er als Geschlagener vom Platz. Fast immer wirkte er in dieser zugespitzten Wettkampfsituation losgelöst von seinen wahren Fähigkeiten. „Ivan hat mir ganz neue Horizonte eröffnet, eigentlich seit dem ersten Tag unserer Arbeit”, sagte Murray.

Jetzt ist Lendl der Held neben dem Helden. Die Lobeshymnen, die ihm gesungen werden, lassen ihn allerdings kalt: „Es gewinnt nur der, der auf dem Platz steht.”

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