„Ich muss mein Schicksal jetzt selbst bestimmen“

Deutschlands beste Tennisspielerin Andrea Petkovic hält nichts von Zickenkriegen, fühlt sich mit Sebastian Vettel geistig verbunden und beschäftigt sich mit „Deutschland im Kalten Krieg“.
Interview: Jörg Allmeroth |
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Deutschlands beste Tennisspielerin Andrea Petkovic hält nichts von Zickenkriegen, fühlt sich mit Sebastian Vettel geistig verbunden und beschäftigt sich mit „Deutschland im Kalten Krieg“.

Frau Petkovic, Sie haben beschlossen, dass die Saison weitergehen soll, trotz Meniskusverletzung, trotz Warnungen aus dem Umfeld – von Kolleginnen, von Bundestrainerin Barbara Rittner oder Ihrem Vater Zoran.

ANDREA PETKOVIC: Ich kann mir die Chance nicht entgehen lassen, zur WM nach Istanbul zu fahren. Auch wenn ich erst mal nur als Ersatzspielerin dabei bin. Dafür habe ich viele Monate gearbeitet. Nun will ich da auch hin. Punkt.

Hinter dem Verletzungsthema schimmert auch eine Art Machtkampf durch: Man könnte vermuten, dass Sie Ihr Tennisleben ganz in die eigenen Hände nehmen wollen.

Ich merke, dass ich nun erwachsen werde in meinem Beruf. Ich war schon immer eigenständig, jetzt bekommt das Ganze eine neue Dimension. Ich muss und ich will die Entscheidungen fällen, die mein Tennisleben betreffen.

Aber andere Meinungen interessieren Sie schon noch?

Natürlich. Aber es gibt eben Momente, wo ich jetzt sage: Ich entscheide es so, wie ich es für richtig halte. Ich mache das, was ich will, nicht das, was andere wollen. Und ich übernehme dafür auch die volle Verantwortung.

Die Sache mit Ihrem lädierten Knie bezeichnen Sie selbst als „Spiel mit dem Feuer“.

Ich spiele weiter. Auch wenn viele Leute das für Wahnsinn halten. Ich habe allen gesagt: Ihr seid raus aus der Nummer, ihr habt gesagt, dass ihr es für falsch haltet. Ich aber finde es richtig. Und deswegen trage ich dann auch die Konsequenzen. Ich bin jetzt 24. Es wird Zeit, dass ich selbst die Richtung vorgebe und für meine Entscheidungen einstehe.

Ist Ihnen Ihr ausgeprägter Ehrgeiz manchmal ein bisschen unheimlich?

Nein. Diesen Antrieb brauchst du, wenn du in der Spitze mitmischen willst. Die letzten zwei, drei Prozent, machen den Unterschied. Du darfst dich selbst mit etwas sehr Gutem nicht zufrieden geben, sondern musst weiter hart an dir arbeiten. Warum ist Sebastian Vettel Weltmeister? Weil er eben immer die letzten Tausendstel Sekunden rausholen will. Dieser Geisteshaltung fühle ich mich verbunden.

Ohne Reibungsverluste geht das nicht. Ihr Vater, bisher Ihr wichtigster Berater, sagte gerade Nein zu diesem letzten Teil der Saison. Sie sagen Ja.

Er will mich als Vater beschützen, das ist sein Impuls. Ich sage: Ich muss mich jetzt selbst beschützen. Und ich sage: Ich muss mich als Tennisspielerin jetzt über die Grenzen pushen. Sonst komme ich nicht weiter. So sind die Leute vorne alle gestrickt, auch Djokovic, Nadal, Serena Williams.

Haben Sie keine Angst vor einem großen Absturz?

Natürlich kann es den Bach runtergehen, natürlich kann ich mich noch mal verletzen, dann würden alle sagen: „Haben wir doch gewusst, dass das nicht gutgehen kann.“ Aber wie gesagt: Niemand wäre dann schuld – außer mir. Sorry, ich muss mein Schicksal selbst bestimmen. So sehe ich das, und so lebe ich das.

2010 war für Sie noch ein unbeschwertes Abenteuerjahr, 2011 war hartes Geschäft. Wie verkraftet man das?

Ganz gut. Ich habe mich schon ziemlich entwickelt zuletzt. Nicht nur als Tennisspielerin, auch als Businessfrau. Ich habe eine Menge investiert in das Projekt Andrea Petkovic.

Die Öffentlichkeit sieht Andrea Petkovic als Anstifterin für die neue deutsche Tenniswelle. Wie sehen Sie sich?

Ich habe keine Sonderrolle. Ich habe vielleicht den Impuls gegeben für das, was jetzt als Fräuleinwunder bezeichnet wird. Aber jede dieser Spielerinnen hat das nur sich und ihrem Team zu verdanken. Die Stärke dieser Gruppe ist, dass es ein Konkurrenzverhalten gibt, aber auf einer sehr gesunden Basis. Zickenkriege, Eifersüchteleien: Fehlanzeige. Es gibt keine Hackordnung. Es gibt keine Überfrau des deutschen Frauentennis.

Sie züchten sich die Konkurrenz ja sogar selbst heran: Angelique Kerber hatten Sie vor den US Open zu einem Aufenthalt in der Offenbacher Tennisakademie animiert.

Es klingt vielleicht verrückt: Aber ich bin einfach froh, wenn Julia Görges, Sabine Lisicki oder Angelique Kerber gut spielen. Es ist letztlich fast Egoismus, wenn ich ihnen helfe. Weil ich mir dann auch selbst helfe. Das Motto lautet: Ich werde besser, wenn die anderen besser werden.

Auch als Kerber oder Lisicki in Grand-Slam-Halbfinals standen, kam kein Neid auf?

Nullkommanull. Heiliges Ehrenwort. Bei mir ging es immer etwas ruhiger zu. Ich brauche meine Zeit, um voranzukommen. Deswegen werde ich nicht unruhig, wenn andere solche Erfolge haben.

Wie sortieren Sie sich nach dieser fast beendeten Saison in der Tennisspitze ein?

Für mich gibt es immer noch eine große Grenze. Die ziehe ich zwischen denen, die einen Grand-Slam-Erfolg geholt haben – und denen, die das nicht geschafft haben. Ich bin also noch in der zweiten Kategorie, und ich will in die erste.

Was hat dies bisher verhindert?

Wahrscheinlich die Tatsache, dass es für mich immer noch was Besonderes ist, in diesen großen Matches zu stehen. Man überfrachtet dann das Spiel, man kommt in eine Blockade. Im Moment sage ich mir: Ich bin noch nicht reif für einen Grand-Slam-Titel. 2012 kann das schon ganz anders sein.

Was war der prägendste Moment dieser Saison?

Eindeutig der Fed Cup-Sieg gegen die USA in Stuttgart. Meine Ollen und ich. Das war einfach nur schön, diesen Aufschwung im deutschen Tennis zu spüren. Wir haben uns schon vorgenommen, nächstes Jahr den Pott zu gewinnen.

Und der Tiefpunkt?

Wimbledon. Das war das Schlimmste, mit Abstand. Da war ich zwei Wochen einfach in einer Depression, da stimmte nix. Und das kam alles aus heiterstem Himmel, nach guter Vorbereitung.

Was macht Ihr Politik-Studium, bleibt dafür noch Zeit?

Ich beschäftige mich jeden Tag damit. Ich lese, lerne. Aber ich habe seit über einem Jahr keine Klausuren mehr geschrieben. Bei welchem Thema sind Sie gerade angelangt? Deutschland im Kalten Krieg. Schön, nicht?

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