"Ich habe da draußen meine Seele gelassen"
Vor genau 20 Jahren eroberte Tennis-Exzentriker Jimmy Connors bei den US Open die Herzen der Fans. Hier erinnert er sich an legendäre Zeiten – und erklärt, was der heutigen Generation fehlt.
Herr Connors, vor 20 Jahren rüttelten und schüttelten Sie die US Open durch, mit 39 stießen Sie damals ins Halbfinale vor. Das Fünf-Satz-Match, das Sie an Ihrem 39. Geburtstag gegen Aaron Krickstein gewannen, läuft heute noch in Regenpausen des Turniers.
JIMMY CONNORS (lacht): Der Regen hält mich in Erinnerung… Meine Güte, es waren die verrücktesten Tage meines Lebens, elf Tage im permanenten Ausnahmezustand. Es war wie Tennis im Tollhaus. Ich habe die Leute auf eine wunderliche Reise mitgenommen. Dabei hatte ich in der Saison 1990 noch eine schwere Handgelenksoperation, ich dachte eigentlich, meine Zeit als Profi wäre vorüber. Gegen Krickstein lag ich 2:5 im fünften Satz hinten, bog das Ding um. Hinterher wusste ich selbst nicht, wie.
Es war ein sagenhafter Lauf - gegen Spieler, die Ihre Söhne hätten sein können.
Wie sensationell das war, wussten damals nur die wenigsten. Nach dieser Handgelenksverletzung im Jahr zuvor musste ich Tennis fast wieder wie ein Anfänger lernen. Da war ein Halbfinale in New York reine Utopie. Im ersten Spiel in New York lag ich gegen Patrick McEnroe mit zwei Sätzen und 0:3 und 0:40 im dritten Satz zurück, ich gewann es noch. Weil ich diese Haltung hatte: Fighten, fighten, fighten. Bis es vorüber ist. Für oder gegen mich. Das galt für mich noch mit 39.
Tennis scheint in den letzten zwei Jahrzehnten eine komplett andere Sportart geworden zu sein - oder nicht?
Das Tennis unserer Generation ist verloren gegangen. Die unterschiedlichen Stile, die komplett verschiedenen Typen. Ein Lendl, ein Borg, ein McEnroe - sie waren so weit auseinander wie die Erde vom Mond. Alle spielten anders, in jedem Spiel brauchtest du eine komplett neue Strategie.
Sie gehören zu den Kritikern, die beklagen, dass sich die Plätze überall angleichen und langsamer werden.
Als ich vor ein paar Jahren nach Wimbledon zurückkam, als Berater von Andy Roddick, konnte ich kaum glauben, wie dort gespielt wurde. Der Rasen war viel langsamer, und die Ballwechsel, lange Grundlinienduelle, erinnerten eher an ein Sandplatzturnier. Ich weiß noch, dass ich mal einen längeren Ballwechsel mit Borg auf dem Centre Court hatte, in einem unserer wichtigen Matches, da haben die Leute uns sofort ausgebuht. Deshalb hieß es in Wimbledon: Attacke, wann immer es geht.
Heutzutage geht es auch viel gesitteter zu auf den Plätzen.
Für mich war Tennis nie ein Spiel, in dem man einfach ein paar Bälle übers Netz schlägt. Ich habe meine Seele da draußen auf dem Platz gelassen, es ging nicht um Leben oder Tod, aber die emotionale Intensität war irgendwie größer. Ich habe gegen meinen Gegner gekämpft, ich bin aufgestanden gegen Schieds- und Linienrichter. Ich habe sozusagen meine Rechte eingefordert. Diese Bedingungslosigkeit gibt es im Tennis heute wohl nicht mehr.
Bei Grand Slams regelt nun ein elektronisches Überwachungssystem die Entscheidungen – ein Fortschritt?
Ich bin sicher, dass ich ein paar Spiele verloren habe, weil es Fehlentscheidungen der Schieds- und Linienrichter gab. Aber das war eben Teil dieses aufregenden Spiels, das lieferte die Dramatik und die Emotionen. Mit ein bisschen Abstand hat man diese Irrtümer immer akzeptiert.
Mit welchem Spieler der heutigen Generation fühlen Sie sich am ehesten verbunden?
Eindeutig Rafael Nadal. Der ist nach meinem Geschmack. Für ihn gibt es keine Kompromisse, keine Zugeständnisse an den Gegner. Er gibt absolut alles, um zu gewinnen. Auch Djokovic ist sehr interessant, ein Bursche mit Charakter.
Und Federer?
Ich bin ein Fan von Roger. Er hat das Tennis jahrelang diktiert, auf eine klinische Weise. Er ist ein Stilist, ein eleganter Könner. Ich bin sicher, dass er auch nach seinem 30. Geburtstag noch Titel holen kann.
Wo bleiben die großen Amerikaner im Herrentennis?
Wir haben alle gedacht, das geht noch eine Ewigkeit so weiter - nach diesen goldenen Jahren erst mit McEnroe und Connors, dann mit Sampras, Agassi und Courier. Und ehe wir uns versehen hatten, war der Rest der Welt an uns vorbeigezogen. Auch, weil wir als Ausbildungsland die Stars produziert haben, in den US-Akademien haben ja viele Topleute ihr Handwerk gelernt.
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