"Wie die Hyänen im Busch": Nagelsmann beschwert sich über Pfeifkonzert gegen Nordirland

Das DFB-Team zeigt auch gegen Nordirland zahlreiche Schwächen. Bundestrainer Julian Nagelsmann hat reichlich Arbeit vor sich.
von  Kilian Kreitmair
Seine Mannschaft tat sich selbst gegen Nordirland schwer: Bundestrainer Julian Nagelsmann.
Seine Mannschaft tat sich selbst gegen Nordirland schwer: Bundestrainer Julian Nagelsmann. © IMAGO

Zur Pause hagelte es Pfiffe von den Rängen. Das Kölner Publikum im längst nicht ausverkauften Rhein-Energie-Stadion war unzufrieden. Diese Mannschaft soll, wie Bundestrainer Julian Nagelsmann nach der Heim-EM ankündigte, 2026 in den USA Weltmeister werden? Klar: Am Ende gewann Deutschland gegen Nordiren mit 3:1. Weltmeisterlich ist aber etwas anders.

Leweling: "So sind wir halt, wir Deutschen"

"Wir dürfen uns nicht beschweren", meinte der DFB-Coach über das Pfeifkonzert. Die Tickets für das DFB-Team sind immerhin teuer, die Darbietungen dagegen aktuell unspektakulär bis frustrierend. Trotzdem hätte sich Nagelsmann eine andere Reaktion der Anhänger gewünscht: "Es bringt nichts, wenn alle wie Hyänen im Busch sitzen und warten, bis man endlich wieder beißen und sagen kann, wie beschissen alles ist."

Etwas mehr Verständnis zeigte da schon Jamie Leweling. "So sind wir halt, wir Deutschen", sagte der Stuttgarter und schmunzelte. Deutschland sei einfach "eine Riesennation im Fußball mit Ansprüchen". Wobei es derzeit wohl eher heißen müsste: Deutschland war eine Riesennation im Fußball. Die glorreichen Zeiten scheinen vorerst vorbei zu sein.

Jamie Leweling war einer der besseren Deutschen gegen Nordirland.
Jamie Leweling war einer der besseren Deutschen gegen Nordirland. © IMAGO

Rüdiger bringt beim DFB-Team Unruhe ins Spiel 

Selbst gegen den 71. der Weltrangliste ist eine Gala-Vorstellung, ein Sieg, bei dem man den Frust von der Seele schießt, offenbar nicht mehr drin. "Wenn man so ein Spiel wie in der Slowakei hatte, ist nicht so der Flow da", begründete es Groß. Für ihn war wichtig, das Spiel überhaupt zu gewinnen. Heißt: Beim DFB wurde die Erwartungshaltung nach dem 0:2-Debakel von Bratislava massiv heruntergeschraubt, von Top-Nation kann aktuell nicht die Rede sein.

Nagelsmann hat auf dem Weg zur WM, das Turnier ausgeklammert, noch einiges an Arbeit vor sich. Gerade die Defensive bereitet Sorgen. Dem DFB fehlt ein echter Abwehrchef. Ein Anführer, der wie früher Franz Beckenbauer und in den vergangenen Jahren Mats Hummels vorangeht. Antonio Rüdiger, eigentlich für diese Rolle vorgesehen, bringt Unruhe ins Spiel. Nach seinem Totalausfall vergangenen Donnerstag fiel der Innenverteidiger von Real Madrid erneut mit fatalen Fehlpässen und Unkonzentriertheiten auf.

Bisher kein Abwehrboss: DFB-Verteidiger Antonio Rüdiger.
Bisher kein Abwehrboss: DFB-Verteidiger Antonio Rüdiger. © IMAGO

Spanien enteilt der DFB-Elf auf dem Weg zur WM

"Das hat nichts mit Verteidigen zu tun", kritisierte Weltmeister Bastian Schweinsteiger die deutsche Hintermannschaft jüngst. Für mehr Stabilität in der Defensive braucht es aber wohl auch eine Achse über alle Mannschaftsteile, die das Team auch bei Rückständen auffängt, mit Leistung vorangeht. Selbst Kapitän Joshua Kimmich muss sich auf seiner neuen, alten Position im Mittelfeld erst wieder finden, schwimmt noch.

Dadurch wird die Kluft zu den Top-Teams größer. Allen voran zu den Spaniern, gegen die man vor einem Jahr noch unglücklich im EM-Viertelfinale ausschied. 6:0 gewann der amtierende Europameister in der Türkei. Auf dem Platz: Eine eingespielte Elf um Abwehrboss Robin Le Normand und die Zauberfußballer Nico Williams und Lamine Yamal. Ähnliche Kaliber hätte der DFB allen voran mit Florian Wirtz auch im Kader.

Noch kein Faktor beim DFB-Team: Nick Woltemade.
Noch kein Faktor beim DFB-Team: Nick Woltemade. © IMAGO

Amiri schützt Woltemade: "Er ist ein junger Spieler" 

Doch der die zwei Spiele zeigten: Ohne seinen kongenialen Sturmpartner Jamal Musiala läuft es für Wirtz nicht. Er vermisst offensichtlich die Genialität des verletzten Bayern-Stars. Wirtz-Wow-Momente aus dem Spiel blieben aus. Das galt übrigens auch für die neue Sturm-Hoffnung Nick Woltemade (siehe auch Seite 16). Der 23-Jährige blieb ohne Tor, bekam bei seiner Auswechslung gegen die Nordiren sogar als einziger DFB-Kicker ein persönliches Pfeifkonzert.

"Ich halte nichts davon", nahm ihn Torschütze Nadiem Amiri in Schutz: "Er ist ein junger Spieler, der gerade eine schwere Phase durchgemacht hat, mit vielen Wechselthemen. Dann ist es nicht einfach." Heißt auf der anderen Seite: Nagelsmann kann auf den 23-Jährigen nicht setzten, muss auf ein starkes Comeback von Kai Havertz, Niclas Füllkrug und Jonathan Burkhardt (alle verletzt) bauen. Ob das Trio direkt für mehr Euphorie im Angriff sorgen kann? Nagelsmann braucht Antworten. Sonst könnte der WM-Traum schon früh ausgeträumt sein. 

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