Wettmafia wollte Spieler vergiften

James Bond lässt grüßen: Im europäischen Fußball-Wettskandal versuchten die Betrüger offenbar alles, um Spiele und Spieler in ihrem Sinne zu beeinflussen. Ein beteiligter Fußballer will nun auspacken.
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Gemeinsam gegen Betrug: Theo Zwanziger (l.) und Reinhard Rauball
dpa Gemeinsam gegen Betrug: Theo Zwanziger (l.) und Reinhard Rauball

BERLIN - James Bond lässt grüßen: Im europäischen Fußball-Wettskandal versuchten die Betrüger offenbar alles, um Spiele und Spieler in ihrem Sinne zu beeinflussen. Ein beteiligter Fußballer will nun auspacken.

Der europaweite Fußball-Wettskandal nimmt immer brisantere Ausmaße an. Nach Einsicht in die Ermittlungsunterlagen seines Mandanten Deniz C. sagte Rechtsanwalt Burkhard Benecken der Deutschen Presse-Agentur dpa, dass es nach Erkenntnissen der Ermittler auch Einwirkungen auf Mannschaftsärzte und Köche von Luxushotels gegeben haben soll. Nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bochum seien diese angewiesen worden, «einzelne Spieler im Sinne russischer Methoden zu vergiften, damit diese für einzelne Partien ausfallen», sagte Benecken.

Laut Ermittlungsakten sei die Wettaffäre ein Fall für die Abteilung «Organisierte Kriminalität», da die Verdächtigen sich nicht wie andere Wett-Betrüger zuvor darauf beschränkt hätten, mit List und Täuschung vorzugehen. Das entscheidende Kriterium dieses weltweiten Netzwerks sei die Gewalt. Man schrecke nicht mehr davor zurück, Leute in Keller einzusperren oder Spieler zu betäuben. Es seien Geldflüsse von zig Millionen Euro im Spiel, so dass auch Vermögenswerte verschleiert werden sollten.

Menschenraub und gewerbsmäßiger Bandenbetrug

Beneckens seit vergangenem Donnerstag in Untersuchungshaft sitzendem Mandanten wird erpresserischer Menschenraub und gewerbsmäßiger Bandenbetrug in acht Fällen vorgeworfen. Laut Ermittlungsakten soll der 30 Jahre alte Mann aus Herten eine der zentralen Figuren der europaweit tätigen Wettmafia sein. C. soll bei Manipulationen entscheidenden Druck ausgeübt haben.

Deniz C. wird darüber hinaus nach Aussage Beneckens zur Last gelegt, Rechtsanwälte von anderen Beschuldigten und Geschädigten bezahlt zu haben, damit diese keine oder gewünschte Aussage machen. Der Hertener soll mit sechs anderen Verdächtigen auf manipulierte Partien in der Schweiz, Belgien, Türkei, Slowenien und Kroatien gewettet haben. Dabei habe C. einen Gewinn von 990.275 Euro gemacht.

Zuvor hatten sich die Funktionäre bereits über die Dimension des Wettskandals schockiert gezeigt. «Das Ausmaß, fast flächendeckend in Europa, und die Fülle sind schon erschreckend», erklärte Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff. Auch DFB-Präsident Theo Zwanziger sieht den internationalen Aspekt als größte Bedrohung an. «Neu ist die Qualität in der internationalen Spitze», sagte Zwanziger zu den Spielmanipulationen in ganz Europa.

Verler Kapitän will aussagen

Der DFB-Präsident ist allerdings auch überzeugt davon, dass der nationale Verband und die Justiz in Deutschland gemeinsam erfolgreich gegen den neuen Betrug vorgehen werden: «Ich bin sicher, dass wir in naher Zukunft diese Sache geklärt werden haben.» Reinhard Rauball, Chef der Deutschen Fußball Liga (DFL), sieht in Deutschland ebenfalls eine gute Chance für Aufklärung und Bestrafung: «Die absolute Härte wird diejenigen treffen, die unseren Fußball beschmutzen.»

Nach Ansicht des Präsidenten des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, ist der jüngste Wettskandal ein gutes Beispiel für die zunehmende internationale Verflechtung der Kriminalität. «In Europa wird bestochen, in Asien gezockt und in Berlin abkassiert», sagte Ziercke bei der Herbsttagung seiner Behörde in Wiesbaden.

Bei ihren Ermittlungen kommen die Behörden scheinbar voran. Der wegen Manipulationsverdacht suspendierte Kapitän des West- Regionalligisten SC Verl, Patrick Neumann, will bei der Staatsanwaltschaft Bochum aussagen. «Er wird gegenüber den Bochumer Ermittlern alles sagen, was er weiß», kündigte sein Anwalt Lutz Klose im «Westfalen-Blatt» (Donnerstag-Ausgabe) an. Dabei gebe es allerdings «nicht so viel zu gestehen». Über Hintermänner und Strukturen könne sein Mandant nichts sagen.

Vernehmungen in Düsseldorf

Eine Woche nach Bekanntwerden des Wettskandals wurden nach Vereinsangaben auch zwei Spieler der Regionalliga-Mannschaft von Fortuna Düsseldorf von der Polizei vernommen. Nach intensiven Gesprächen mit dem Verein erklärten die Akteure schriftlich, dass sie niemals ein Spiel der eigenen Mannschaft manipuliert oder einen solchen Versuch unternommen hätten.

Nord-Regionalligist ZFC Meuselwitz verlangt wegen einer angeblichen Verstrickung in den Wettskandal sogar schriftliche Ehrenerklärungen von allen seinen Spielern. «Der DFB hat uns empfohlen, in Vorleistung zu gehen», sagte Präsident Hubert Wolf. Bislang hatte im deutschen Fußball-Unterhaus nur der SSV Ulm schriftliche Erklärungen verlangt.

Politik will auch mitmischen

Die bayerische Landesregierung will wegen des Wettskandals eine Bundesrats-Initiative starten. Wie die «Süddeutsche Zeitung» berichtet, hat Justizministerin Beate Merk (CSU) einen Entwurf für ein Bundes-Sportschutzgesetz ausgearbeitet. Demnach sollen Doping, Bestechung, Bestechlichkeit und sonstige betrügerische Manipulation verfolgt werden. Die Strafen reichen bis zu zehn, bei gewerbsmäßigem Doping bis zu 15 Jahren Haft. Widerspruch gab es von der Schwesterpartei CDU und vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Dort wünscht man sich, dass die bestehende Regelung konsequenter umgesetzt wird, «bevor nach einem neuen Gesetz gerufen wird», sagte DOSB-Generaldirektor Michael Vesper.

Bei der Regelung von Sportwetten unterstrichen die Vertreter der vier wichtigsten deutschen Profi-Ligen Fußball, Handball, Basketball und Eishockey auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin, dass auch ein Wettmonopol den aktuellen Skandal nicht hätte vermeiden können. Außerdem sei der Wett- und Manipulationsskandal vorrangig kein Problem des Fußballs, sondern der organisierten Kriminalität. «Wir fordern eine Neuordnung des Wettmarktes», sagte Jan Pommer, der Geschäftsführer der Basketball-Bundesliga. (Jens Mende und Florian Lütticke, dpa)

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