Von hart bis herzlich

Bundestrainer Joachim Löw ruft Kapitän Michael Ballack per Telefon zum Rapport. Aber wie haben eigentlich seine Vorgänger durchgegriffen. Neun Anekdoten - von Sepp Herberger bis Jürgen Klinsmann.
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Standpauke an der Außenlinie: Als Teamchef fand Franz Beckenbauer oft deftige Worte - wie hier gegen Kapitän Lothar Matthäus.
Rauchensteiner/AK Standpauke an der Außenlinie: Als Teamchef fand Franz Beckenbauer oft deftige Worte - wie hier gegen Kapitän Lothar Matthäus.

Bundestrainer Joachim Löw ruft Kapitän Michael Ballack per Telefon zum Rapport. Aber wie haben eigentlich seine Vorgänger durchgegriffen. Neun Anekdoten - von Sepp Herberger bis Jürgen Klinsmann.

MÜNCHEN Sie haben gesprochen. Und besprochen, dass sie miteinander reden werden. Es war ein Zwei-Ohren-Gespräch am Telefon zwischen Bundestrainer Joachim Löw und Meuterer Michael Ballack, dabei wurde ein Vier-Augen-Gespräch vereinbart. Eine erste, zarte Annäherung. Löw-Vorgänger Jürgen Klinsmann fordert eine Entschuldigung: „Ich gehe davon aus, dass Michael den Fehler einsieht und eingesteht.“

Nach Ballacks Angriffen hatte Löw Härte angekündigt. Daran wird er nun gemessen, am Spagat zwischen der Wahrung seiner Autorität samt Schärfung seines Profils sowie der Sensibilität, mit dem Rebellen wieder eine gemeinsame Ebene zu finden. Löw muss Stärke beweisen. Schon oft ging es hart auf hart im Konflikt Bundestrainer gegen Bundescapitano. Doch nicht immer lautete die Formel „Starker Coach+ starker Käpt’n = Erfolg“. Ein AZ-Ranking der Bundestrainer seit dem Zweiten Weltkrieg – von hart bis herzlich.

1. Franz Beckenbauer

Vor ihm, dem Kaiser, hatten die Spieler den größten Respekt. Auch weil der Lebemann akribisch wie kein zweiter arbeitete und zugleich kompromisslose Entscheidungen traf. Bei seinem ersten Turnier, der WM 1986 in Mexiko, schickte er den rebellischen Ersatztorhüter Uli Stein nach Hause, weil er ihn „Suppenkasper“ geschimpft hatte. Er ließ den Spielern um Kapitän Lothar Matthäus zwar oft ihren Freiraum, wenn ihm etwas aber nicht passte, trat er Kabinentüren ein. Des Kaisers Zorn war gefürchtet, sein Stil erfolgreich: Deutschland wurde 1990 Weltmeister.

2. Sepp Herberger

Der Weltmeister-Trainer von 1954 hatte zwar mit Fritz Walter seinen Kapitän und nannte Helmut Rahn den „Boss“, führte aber ein eher diktatorisches Regiment. Die Spieler riefen ihn nicht Trainer, sondern ehrfurchtsvoll „Chef“.

3. Jürgen Klinsmann

Nach seiner Amtsübernahme im Sommer 2004 ließ er auf Worte („Man muss den ganzen Laden auseinandernehmen“) tatsächlich Taten folgen: Torwarttrainer Sepp Maier, Christian Wörns, Oliver Kahn – weg waren sie. Er verschaffte sich durch knallharte Personalentscheidungen Respekt. Resultat: Platz drei bei der Heim-WM 2006.

4. Joachim Löw

Er führt Klinsmanns Stil fort. Zunächst eher im Kumpel-Stil, dachte man. Nun sind Timo Hildebrand, Kevin Kuranyi und wohl bald auch Torsten Frings als Nationalspieler Geschichte. Kommt Ballack auf Löws Liste, rückt er auf Rang zwei, mindestens. 5. Rudi Völler: Für die Fans war er der „Ruuudi“. Wenn es hart auf hart ging, flippte er aus. Im Live-TV-Interview fuhr er Moderator Waldemar Hartmann über den Mund und attackierte Netzer stellvertretend für alle nörgelnden Experten. Sein größter Erfolg: Der VIze-WM-Titel 2002.

6. Helmut Schön

Der „Mann mit der Mütze“ übernahm 1964 das schwere Erbe Herbergers, erreichte aber nie dessen Autorität. Dennoch gelang es ihm, mit seinem liberalen Führungsstil die spielerisch schönste und erfolgreichste Ära zu prägen (EM-Titel 1972, WM-Titel 1974). Weltmeister wurde die DFB-Elf aber erst, als Kapitän Beckenbauer und Torjäger Müller nach dem 0:1 gegen die DDR eigenmächtig die Aufstellung änderten.

7. Berti Vogts

Einzig im Zoff mit Lothar Matthäus zeigte der Bundes-Berti Profil. Doch Auslöser der Revolte war Jürgen Klinsmann. Vogts ließ zu viel zu und wurde von den Spielern im Stich gelassen. Beim EM-Sieg 1996 hatte die Fraktion um Sammer, Helmer und Köpke die Macht übernommen.

8. Jupp Derwall

Allein der Spitzname „Häuptling ondulierte Silberlocke“ belegte, dass es nicht weit war mit der Autorität Derwalls. Nach dem EM-Titel 1980 begann sein Abstieg, bei der WM 1982 machten die Spieler, was sie wollten. 1984 gab Derwall entnervt auf.

9. Erich Ribbeck

Wurde 1998 Nachfolger von Vogts – als Kompromisskandidat und Notnagel, weil Paul Breitner als Teamchef wegen persönlicher Querelen mit DFB-Präsident Braun nicht zustande gekommen war. Über Ribbecks dozierende Art wurde gelacht, seine Bilanz als Bundestrainer ist die statistisch schlechteste aller bisherigen Amtsinhaber.

Patrick Strasser

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