Trendwende mit langem Anlauf: DFB-Elf müht sich zum Sieg gegen Nordirland

Der Druck auf Julian Nagelsmann war groß. Sehr groß. So groß, dass auf der Pressekonferenz vor dem Nordirland-Spiel gar die T-Frage aufploppte. "Angst zu haben ist keine Lösung", moderierte es der Bundestrainer weg. Dennoch war ihm die Anspannung anzumerken. Keine flotten Sprüche wie sonst. Die dürften Nagelsmann nach dem 3:1 gegen den 71. der Weltrangliste nun wieder etwas leichter fallen.
0:2-Pleite in Bratislava hinterlässt Spuren
Zumindest wirkte es nach Abpfiff am RTL-Mikro so: "In der Pause war die Stimmung leicht geknickt. Aber die letzten 30 Minuten: Das war dann wieder unser Gesicht", so der Bundestrainer zufrieden. Und Kunstschütze Florian Wirtze sagte: "Wir wissen alle, dass das eine Katastrophe war und wollten es besser machen. War eine ganz gute Leistung, auf der wir aufbauen können." Krise vorerst abgewendet, aber es war eine Trendwende mit langem Anlauf. Die 0:2-Pleite von Bratislava hatte Spuren hinterlassen. Das zeigte sich schon an den verkauften Tickets.
5.000 Karten hatte der DFB am Spieltag noch zu vergeben, musste vor dem Stadion Ticket-Werbung machen. Gebracht hat das nur bedingt etwas. Einige Plätze bleiben leer. Auch das DFB-Team bekam ein neues Gesicht. "Es gibt den Ansatz, nicht zu tauschen, damit die Mannschaft Wiedergutmachung betreiben kann", hatte der 38-Jährige angekündigt: "Ich habe mich für den anderen Ansatz entschieden, denn ich habe mehr Spieler im Kader als nur zehn und schenke ihnen Vertrauen."

Mats Hummels wurde vor der Partie offiziell verabschiedet
Fünf Spieler von der Klatsche gegen die Slowakei mussten auf die Bank. Nnamdi Collins, Maximilian Mittelstädt, Angelo Stiller und die beiden Bayern-Profis Jonathan Tah und Leon Goretzka. Wie man das an der Säbener Straße wohl aufnimmt? "Es muss von der ersten Minute an Feuer sein", betonte DFB-Sportdirektor Rudi Völler. Dafür sorgen sollten Pascal Groß, Robin Koch, Jamie Leweling, David Raum und Waldemar Anton. Einer, der das während seiner Karriere vorlebte, wurde vor dem Spiel offiziell verabschiedet: Mats Hummels. Der Weltmeister von 2014 bekam Sprechchöre und eine Choreo. Darunter in fetten Lettern: "Meisterlich, Ausgezeichnet, Tätkräftig, Stark" (MATS).
Alles Attribute, die die Nagelsmänner an jenem Sonntagabend nur in Phasen aufblitzen ließen. In der 7. Minute lupfte Serge Gnabry nach einem schönen Steckpass von Nick Woltemade die frühe Führung für den DFB. Nur wenige Minuten später hätte die Kombination, die man auch beim FC Bayern gerne gesehen hätte, beinahe nachgelegt. Woltemade (14.) vertändelte allerdings den Ball im Strafraum. Die Zeichen standen auf Wiedergutmachung.

Wirtz in Halbzeit eins ein Schatten seiner selbst
Doch Mitte der ersten Hälfte ließ Deutschland nach, wirkte zu selbstgefällig. Und musste dafür teuer bezahlen. Isaac Price (34.) stand nach einer Ecke völlig frei am zweiten Pfosten, nagelte den Ball unhaltbar in die Maschen. Da war sie plötzlich wieder die Verunsicherung im DFB-Team. Gerade Florian Wirtz blieb in der ersten Hälfte ein Schatten seiner selbst. Deutschland offensiv zu schludrig und mit zu vielen Abspielfehlern, defensiv schläfrig. Dafür hagelte es zur Pause zurecht ein Pfeifkonzert von den Rängen. Wie die Pausenansprache von Nagelsmann ausfiel? Klar ist: Seine Spieler kamen früh wieder auf den Platz.
Doch die Chancen ließen auf sich warten. Ein Schuss von Stuttgarts Leweling (58.) aus der zweiten Reihe, mehr fiel dem DFB-Team zunächst nicht ein. Nach einer Stunde hatte Nagelsmann genug gesehen, brachte Maximilian Beier und Nadiem Amiri für Woltemade und Gnabry. Eine Einwechslung, die Deutschland den Sieg brachte.

Noch reichlich Arbeit auf dem Weg zur WM für Bundestrainer Nagelsmann
Nach einer Flanke von David Raum schob Amiri (68.) aus kurzer Distanz zur erneuten Führung ein. Von den Emotionen und der Aufbruchstimmung gepackt, gelang wenige Minute später dann auch noch Wirtz ein Kunststück. Der Shootingstar, einst in Köln ausgebildet, versenkte einen Freistoß aus rund 23 Metern unter die Querlatte. Und ersparte Nagelsmann ungemütliche Tage. Doch klar ist auch: Der Bundestrainer hat auf dem Weg zur WM noch reichlich Arbeit vor sich.