Trauma? Traum! Der wichtigste Sieg für Joachim Löw

Mit dem Sieg im EM-Viertelfinale gegen Italien bricht die DFB-Elf den Fluch – und Bundestrainer Löw besteht seine ultimative Prüfung. Und jetzt? „Das Ziel heißt natürlich Finale“, sagt er.
Patrick Strasser |
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Geschafft: Bundestrainer Joachim Löw und "La Mannschaft" stehen im Halbfinale der Euro 2016.
firo/augenklick Geschafft: Bundestrainer Joachim Löw und "La Mannschaft" stehen im Halbfinale der Euro 2016.

Bordeaux - Kurz gejubelt – und weg war er. Verschwunden. Dass Bundestrainer Joachim Löw nach diesem nervenzerfetzenden, epischen Elfmeterdrama im EM-Viertelfinale gegen Italien zunächst in die Katakomben des „Stade de Bordeaux“ flüchtete, beweist vor allem, wie sehr ihn das Italien-Trauma über all die Jahre belastet hatte. Nicht die Tatsache, dass es nun einer deutschen Nationalmannschaft im neunten Versuch gelungen ist, die Italiener bei einem großen Turnier zu bezwingen – nein. Es ging um Löw selbst. Und um das Aus im EM-Halbfinale von Warschau 2012 gegen die Italiener, als sich der Bundestrainer mit der Aufstellung verzockt hatte. Jenes 1:2 habe „Narben hinterlassen“, merkte DFB-Präsident Reinhard Grindel kürzlich an. Das spüre man jeden Moment.

Trotz des Triumphs bei der WM vor zwei Jahren in Brasilien schleppte Löw diesen Makel mit sich herum: vercoacht. Es war sein Benzin, sein Adrenalin – kurz: sein dauernder Antrieb. Also dachte sich Löw kurz vor Mitternacht in Bordeaux: nichts wie weg, mal ein paar Momente für sich sein. Alleine auskosten, wenn man es allen (sich selbst natürlich auch!) bewiesen hat. „Ich wollte ein bisschen Ruhe“, erklärte Löw seine vorübergehende Flucht, „es war 120 Minuten lang hektisch genug.“ Wer den 56-Jährigen in den Minuten nach dem Halbfinal-Einzug beobachtete und auf der Pressekonferenz total entspannt sprechen hörte, wurde den Eindruck nicht los: Dieses Ding gegen Italien, dieser Beweistermin, diese ultimative Prüfung hat für Löw eine noch größere Bedeutung als der WM-Pokal, den er in Brasilien gewann.

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Löw hätte es sich leicht machen können, dieselbe Aufstellung vom 3:0 gegen die Slowakei wählen können. Doch der Bundestrainer ging einen Schritt weiter, beinahe zu nahe an den Abgrund, an das Ausscheiden, heran. Wie 2012 passte er sich mit seinem System und seiner Aufstellung dem Gegner an. Er wählte eine Dreier- statt der zuvor erfolgreichen Viererkette in der Abwehr und opferte mit Julian Draxler den besten Mann des Achtelfinals gegen die Slowakei, brachte für ihn Benedikt Höwedes als dritten Innenverteidiger – woran sich eine hitzige Taktik-Debatte entzündete, angestoßen von ARD-Experte Mehmet Scholl (siehe Seite 20).

Löw wählte den Weg durchs Feuer – und reüssierte. Und wenn nicht? Man hätte Löw angeklagt und angezählt, manche Experten und Kommentatoren hätten gefragt, ob er denn nicht aus seinen früheren Fehlern lernen könne und ob er überhaupt noch der richtige Mann sei mit Blick auf die WM 2018. Weil ihm dies bewusst war, fiel seine Erleichterung so groß aus. Was Oliver Bierhoff aussprach, war vor allem auch auf Löw gemünzt: „Wir haben gezeigt, dass wir uns nicht aus der Ruhe bringen lassen und Geduld haben. Die Spieler sind gereift und haben den WM-Titel als Sicherheit. Das merkt man auch.“

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Für Löw, der mit dem Weiterkommen seinen elften Erfolg im 14. K.o.-Spiel bei einem Turnier feiern konnte und bei zwei WM- und drei EM-Endrunden immer mindestens das Halbfinale erreicht hat, heißt es nun: auf nach Paris! „Wenn man im Halbfinale steht, heißt das Ziel natürlich Finale, jetzt wollen wir natürlich mehr“, sagte Löw.

Nächste Etappe der Tour de France des DFB-Trosses: Marseille. Am Donnerstag (21 Uhr) geht es im Halbfinale entweder gegen Gastgeber Frankreich oder Sensationsteam Island.

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