Träumen erlaubt!
Diese Multi-Kulti-Mannschaft muss man mögen. Deutschland-einig-Krisenjammerland wird für ein paar Wochen wieder zur Spaßgesellschaft. Ein Kommentar von AZ-Sportchef Gunnar Jans.
Was kann es Schöneres geben auf dieser Fußball-Welt als solch einen Triumph über die Engländer, die bei jeder Gelegenheit ihr Kriegsspielzeug auspacken. Hach, „Herr, we go!“, wie herrlich war die Rache für das Wembley-Tor von 1966. Und wie genugtuend ist es, Größe zu zeigen – und den Engländern, die immer noch nicht wahrhaben wollen, dass es kein regulärer Treffer war damals, jetzt nonchalant zuzurufen: „Ja, euer Ball war drin!“ Aber: „Es hätte euch auch nichts genutzt!“
Von Lahm & Co. würde man das nie hören. Diese deutsche Mannschaft, die spielstärkste seit 1972, hat nichts Großspuriges, das unterscheidet sie schon mal von den Weltmeistern von 1990, denen Franz Beckenbauer im Überschwang der Wiedervereinigung nachrief, nun sei „Deutschland auf Jahre unschlagbar“.
Mag damals schwarzrotgoldenes Fahnenschwingen manchem ungeheuer vorgekommen sein, so war es beim Sommermärchen 2006 opportun – und ist nun unverdächtiges Partysymbol: Ausdruck der Sympathie für Thomas Müller & Mesut Özil, Bastian Schweinsteiger & Sami Khedira.
Diese Multi-Kulti-Mannschaft muss man mögen, sie hat nichts Brachiales, ihr fehlt sogar ein Alphamännchen. Gut so: Mit Ballack – als Leader selten mitreißend, bei den Kollegen wenig gelitten und bei den Fans höchst umstritten – wäre dieser Erfolg wohl gar nicht möglich gewesen.
So aber können die DFB-Jungstars als Team über sich hinauswachsen und wahr machen, was keiner mehr geglaubt hat: dass Deutschland-einig-Krisenjammerland für ein paar Wochen wieder zur Spaßgesellschaft wird, in der Träumen erlaubt ist. Warum nicht auch vom Titel? Am liebsten gegen Holland, weil: Was kann’s Schöneres geben!