Schlaraffenschland
Sorgenfrei geht Joachim Löws Mannschaft am Dienstag in ihr Spiel gegen Aserbaidschan. Beim DFB läuft es – genau wie in der Bundesliga. Halb Europa blickt neidisch nach Deutschland.
KÖLN Heiter bis locker. Beschwerde- und sorgenfrei. Der gesamte Tross der Nationalelf hat dieser Tage in Köln keinen Grund, schlechte Laune zu haben. Es stimmt alles. Mit dem 1:0 in Brüssel hatte man den Start in die EM-Qualifikation erfolgreich hinter sich gebracht, von Gegner Aserbaidschan am Dienstag (20.45 Uhr, ARD live) erwartet niemand, dass er einen deutlichen Sieg ernsthaft verhindern könnte. Spieler und Trainerstab – alle sind rundum zufrieden.
Es läuft, das gute Gefühl Nationalelf lebt weiter, auch knapp zwei Monate nach Ende der WM in Südafrika. Der DFB-Präsident ist mittlerweile ihr größter Fan. „Ich war seit zehn Jahren noch nie so zuversichtlich", sagte DFB-Präsident Theo Zwanziger, „ich spüre, dass die Jungs zueinander passen und etwas Gutes heranwächst." Unter der Leitung eines souveränen Bundestrainers, über den Zwanziger kurz und bündig sagt: „Joachim Löw ist einfach gut.“
Die Nationalelf – eine problemfreie Zone. Nahezu. Denn selbst die Angelegenheit Michael Ballack haben sie taktisch-geschickt (teil-)gelöst. Auf dem Platz wird der Capitano a.D. Schon seit der WM nicht mehr vermisst. Ein Weltstar im Wartestand, andere Nationen wären begeistert, wenn sie doch nur solche Probleme hätten. Nationalelf und Bundesliga anno 2010 – ein Schlaraffenschland oder wie es Paul Breitner, der Vorstandsberater des FC Bayern, ausdrückt: „Dieses Paket ist wie eine blühende Insel in ganz Europa. Da wurde über all die Jahre vernünftig gehandelt und gewirtschaftet.“
Die AZ blickt auf vier andere große Ligen Europas und die dortigen Nationalteams:
Italien
Die Squadra Azzurra wird Jahre brauchen, um sich vom WM-Desaster, dem peinlichen Vorrunden-Aus als Titelverteidiger zu erholen. Man hat den Umbruch ausgerufen, vorgewarnt, es werde lange dauern. Das mühevolle 2:1 in Estland zum Auftakt der EM-Qualifikation war ein Beleg dafür. Und die Serie A? Ein Trümmerhaufen. Sponsoren verabschieden sich, die Zuschauerzahlen erschreckend rückläufig. „Nach der WM 1990 hat man versäumt, zu handeln, die Stadien haben keinerlei Komfort“, sagt Breitner. Der einzige Verein, der investiert hat, war der AC Mailand (Robinho, Ibrahimovic). Dank der Gelder von Ministerpräsident Berlusconis Firma.
England
Was Namen und Gehälter betrifft, die (finanz-)stärkste Liga der Welt. Doch im Sommer hat nur Manchester City dank der arabischen Eigentümer rund 140 Millionen Euro investiert. Die „Big Four“ (ManU, Chelsea, Arsenal, Liverpool) sparen. „Die Finanzkrise hat zu einer Konstellation geführt, in der der englische Fußball nicht mehr so eine tragende Rolle spielen wird wie zuvor“, sagte kürzlich Bayern-Präsident Uli Hoeneß. Der Verband hat nicht einmal mehr genug Geld, um den erfolglosen Nationaltrainer Fabio Capello zu entlassen. Und Topstar Wayne Rooney macht nur Schlagzeilen im Zuge von Bar-Raufereien oder mit dem käuflichen Gewerbe. Britische Blätter berichteten am Sonntag von angeblichen außerehelichen Eskapaden des ManU-Stars mit einer Prostituierten.
Spanien
Die Nationalelf ist Welt- und Europameister, keine Frage, doch die Primera Division nur noch ein Schatten früherer Tage. Der FC Valencia ist pleite, der Neubau des Stadions wurde gestoppt. Real Mallorca wurde von der Uefa aus der Europa League ausgeschlossen, Hercules Alicante hat sich den Aufstieg erwiesenermaßen durch Bestechung erkauft – nichts geschieht. „Was da für Summen investiert wurden, ist nicht nachvollziehbar", sagt Breitner, „als wäre man im gelobten Land. Es wird gehandelt nach dem Motto: Was kostet die Welt.“ Ein Leben auf Pump.
Frankreich
Nur ein Wort, nur „Catastrophique!“ schrieb „L'Équipe“ auf der Titelseite nach dem 0:1 gegen Weißrussland in Paris. Es sollte ein Neustart werden nach der WM-Blamage (raus in der Vorrunde), es wurde eine Fortsetzung. Nach der Revolte in Südafrika ist etwa Franck Ribéry noch zwei Spiele gesperrt, man schadet sich selbst. In einer Umfrage glauben 50 Prozent der Befragten, „Les Bleus“ würden sich nicht mal für die EM 2012 qualifizieren. Eine Fußballnation, deren Liga ebenfalls hinterherhinkt, am Boden.
„Die Bundesliga hat vorbildlich gearbeitet, ist ihren Weg gegangen. Nun kommen Stars wie Raul und Huntelaar", sagt Breitner, „man sieht einfach: Der FC Bayern färbt ab.“
Patrick Strasser