Positive Signale aus dem Tor
Jens Lehmann ist 39 und, nun ja: umstritten. Der VfB Stuttgart will ihn trotzdem halten.
STUTTGART In Stuttgart hat man die Frage längst geklärt, die Jens Lehmann auf das Cover einer Biografie drucken lässt, die im April erscheinen soll und lautet: „Warum eigentlich ich?“ In den vergangenen Tagen gab es kaum einen Vertreter des VfB, der dem ehemaligen Nationaltorwart nicht signalisiert hat, dass er am Neckar neben fürstlichem Salär besondere Nestwärme erwarten kann. Arm an herausragenden Führungsspielern, braucht der VfB einen aufbegehrenden Geist wie ihn und seinen zu Markte getragenen Ehrgeiz. Lehmann soll seinen auslaufenden Vertrag verlängern.
Dafür ist man sogar bereit seine Launen zu ertragen, die ihn wie zuletzt nach öffentlicher Kritik an seinen Teamkollegen eine Geldstrafe des Vereins von 12000 Euro einbrachten, die Lehmann anstandslos beglich. Und mehr. Inzwischen scheint Lehmann bereit, ein weiteres Jahr in Stuttgart zu bleiben, was vor kurzem als ausgeschlossen galt.
Man habe in St. Petersburg am Rande des Uefa-Cup-Hinspiels gegen Zenit St. Petersburg ein „gutes Gespräch“ geführt, berichtete Manager Horst Heldt. Vielleicht hatten die Verteidigungsreden vor dem Rückspiel gegen Zenit (bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht begonnen) mit den positiven Signalen von Lehmann zu tun, doch noch eine weitere Saison bleiben zu wollen.
Heldt also verteidigte Lehmann nach dessen Auftritt gegen 1899 Hoffenheim, als er den von Sejad Salihoivic verlorenen Schuh aufgesammelt und auf sein Tornetz geworfen hatte. Auch von Teamchef Markus Babbel kamen versöhnliche Töne. Schließlich gab Torjäger Mario Gomez wie ein Klassensprecher stellvertretend für die Mannschaft eine Art Ehrenerklärung für den 39 Jahre alten Lehmann ab und sagte: „Jens macht nie etwas Dreckiges, tut nie etwas verdeckt, sondern immer für alle erkennbar. Einige attackieren ihn für solche Aktionen, andere lieben ihn.“
Lehmann selbst genießt die Huldigungen, die ihm im eigenen Verein zu Teil werden, auch wenn er für seine letzte Karrierestation mehr sportliche Klasse gewünscht hätte. Er arrangiert sich mit den Gegebenheiten, die für ihn bedeuten, zwischen Stuttgart und Berg, dem Wohnort seiner Familie am Starnberger See, zu pendeln. Im noblen Stuttgarter Stadtviertel am Killesberg hat Lehmann zudem eine Wohnung angemietet. Wobei eigene unerfüllte sportliche Erwartungen und notwendige räumliche Trennung von der Familie oft schlechte Laune und Ausraster produzieren. Während sein großer Konkurrent Oliver Kahn in den letzten Monaten seiner Karriere oft altersmilde gestimmt war, attackiert Lehmann Schiedsrichter, andere Trainer und Mitspieler. In der Öffentlichkeit erntet er damit meist kein großes Verständnis.
Trotzdem sagt Horst Heldt; „Wir würden gerne verlängern, weil wir von Jens Lehmann absolut überzeugt sind.“ Es soll weitere Gespräche geben, eine Entscheidung aber steht kurz bevor.
Ein Grund für Lehmanns Bereitschaft zu verlängern, scheint das Versprechen, man werde das meiste Geld den zu erwartenden 30 Millionen aus einem Transfer von Mario Gomez wieder in die Mannschaft investieren. Vom Nationalstürmer wird erwartet, dass er nach dieser Saison dem Lockruf eines Topklubs erliegen könnte. Gomez, ein Ehrgeizling wie Lehmann, würde dem VfB quasi einen letzten Dienst erweisen.
Oliver Trust