Nationalelf: Heißer Herbst für Jogi Löw

Die beiden Länderspiele am Samstag gegen Südafrika und vier Tage später gegen Aserbaidschan mögen nicht besonders brisant erscheinen. Doch die Probleme, mit denen der Bundestrainer zu kämpfen hat, sind es durchaus. Vor allem im Umfeld gibt es Unruhe
KÖLN Schnell waren sie dann wieder beim Finale. Wie knapp es doch war damals. Wenn der Schuss vom Jeremies... Wenn der Kahn nicht... Ach, womöglich wäre Bernd Schneider dann auch Weltmeister geworden, damals am 30. Juni 2002 in Yokohama. Die DFB-Elf verlor das WM-Finale gegen Brasilien mit 0:2 und so beendete Schneider (35) seine Karriere aufgrund einer
Rückenmarksverletzung als Vize. Am Donnerstagabend hatte der „Schnix“ die DFB-Oberen und Spieler zu einem Abendessen nach Leverkusen eingeladen, am Samstag vor Anpfiff des Testländerspiels gegen Südafrika (20.45 Uhr, ZDF live) bekommt er Blumen und Applaus. Schneider steht für eine DFB-Elf, aus der nur noch Michael Ballack übrig ist. Torsten Frings, der alte Kumpan von Ballack, wird von Bundestrainer Joachim Löw nicht mehr nominiert. Was die Stimmung bei Ballack in den letzten Monaten nicht gehoben hat, auch Löw reagierte gereizt beim Thema Frings. Im Binnenleben der Nationalelf gibt es einige atmosphärische Störungen, die bei mangelnden Ergebnissen und/oder Fußballfesten gegen unterklassige Gegner zu ausgewachsenen Problemfeldern ausufern könnten. Daher wird der Doppelspieltag mit dem Test gegen Südafrika und dem WM-Qualifikationsspiel gegen Aserbaidschan am Mittwoch in Hannover zum Sorgen-Barometer für den Bundestrainer. Löw. Um was es im heißen Herbst für Jogi Löw geht:
Der Nominierungszoff
Dass mit Stephan Kießling von Bayer Leverkusen der momentan treffsicherste deutsche Stürmer (vier Saisontreffer) nicht nominiert wurde und statt seiner Klose, Podolski und Cacau (jeweils null Tore), verwunderte. Franz Beckenbauer meinte im DSF: „Miroslav Klose ist im Moment ein Rätsel, aber vielleicht helfen ihm zwei Länderspiele, damit der Knoten platzt. Stefan Kießling hätte man vielleicht mitnehmen können. Aber das ist Sache des Bundestrainers.“ Am größten war der Widerstand aus Bremen, der Verzicht auf Torhüter Tim Wiese rief bei den Verantwortlichen Unmut hervor. „Es wird immer schwerer, den Spieler davon zu überzeugen, dass alles mit rechten Dingen zugeht“, sagte Allofs.
Die Torhüter-Rochaden
Löw hat sich einen komplizierten Länderspiele-Verteilerschlüssel zurechtgelegt. Jeder der vier WM-Kandidaten für das Tor solle zu seinem Recht und zu seinem Einsatz kommen. Leverkusens René Adler im Heimspiel am Samstag gegen Südafrika, Tim Wiese Manuel Neuer (Schalke) bei Tests im November. Robert Enke darf in den Quali-Spielen ran, vor allem in der entscheidenden Partie in Moskau gegen Russland am 10. Oktober. Heißt: Er ist der WM-Keeper. Doch wirklich proklamieren will Löw das nicht – weil er sich doch noch nicht entschieden hat? Es droht weiter Unruhe in der Torwart-Frage.
Die Vertragsfrage
Die nächsten Spiele entscheiden über den Weg, den der DFB ab 2010 gehen wird – und das weiter mit dem Gespann Löw/Bierhoff? Der Vertrag von Jogi Löw, momentan datiert bis Juni 2010, soll erst nach bestandener Qualifikation für die WM in Südafrika verlängert werden. Erste Gespräche soll es im November geben. „Es ist nicht nötig, jetzt den Vertrag zu verlängern“, sagte Teammanager Bierhoff in Köln über seine Situation. Womöglich hat er andere Pläne.
Das Russland-Spiel
Wie soll man Nationalspieler für einen Test gegen Südafrika nominieren und für die erneute Pflichtaufgabe vier Tage später gegen Aserbaidschan, wenn Topspiele wie Brasilien gegen Argentinien oder England gegen Kroatien stattfinden? Der Fokus wird sich auf das Russland-Spiel richten, der Rest ist Vorgeplänkel. „Es ist schwer für den Trainer, den Spagat zu gehen“, sagte Bierhoff, „man verlangt vom Trainer viel, topmotivierte Spieler, junge Spieler einzubinden und eine Mannschaft zu finden.“
Patrick Strasser