Nach grandioser Frauenfußball-EM: Jetzt ist der DFB gefordert
Selbst der letzte testosterongesteuerte Chauvi mit einem schier unerschöpflichen Arsenal an abgestandenen Macho-Sprüchen muss nach dieser grandiosen Frauenfußball-EM, bei der sich die deutschen Kickerinnen erst im Finale den gastgebenden Löwinnen aus England beugen mussten, verstanden haben, dass die finsteren Zeiten des Frauenfußballs vorbei sind.
Die DFB-Frauen werden nicht mehr - wie 1989 beim ersten schwarz-rot-goldenen EM-Titel - mit warmen Worten und einem Kaffeeservice als Prämie abgespeist. Immerhin 30.000 kassierten die Spielerinnen um Kapitänin Alexandra Popp. Hätten sie auch den letzten Schritt auf Europas Fußballerinnen-Thron gemacht, hätte sich der Betrag verdoppelt. Klar, es kommt lange nicht an die Prämie der deutschen Männer ran, die hätten pro Nase bei der EM 360.000 auf das prall gefüllte Konto überwiesen bekommen, aber bei denen kann man im Moment hohe Prämien ausloben, die Gefahr, sie auszahlen zu müssen, ist eher gering. Siehe das Aus in der Gruppenphase der WM 2018 oder das Achtelfinal-Aus bei der EM 2021.
"Es muss ein Programm entwickelt werden, das wirklich greift"
Entscheidend ist, dass die Euphorie mitgenommen wird - und den Weg in nachhaltige Veränderungen ebnet. Der Boden der Versenkung darf sich nicht gleich wieder öffnen, kaum, dass der Liga-Alltag Einzug gehalten hat. "Nur leere Worte werden nicht reichen", mahnte der ehemalige Frauen-Bundestrainer Horst Hrubesch bei Sport1 in Richtung DFB an: "Da muss man die Verbände mit einbinden, und es muss ein Programm entwickelt werden, das wirklich greift. Und da ist der DFB gefordert. Was von den Mädels bei der EM gezeigt wurde, war Weltklasse. Nicht nur vom deutschen Team. Das war First Class. Frauen-Fußball darf in der Welt einfach nicht mehr belächelt werden. Das darf keiner mehr machen."

Das Ende des Lächelns, des Belächeltwerdens. Auch Rekordnationalspieler Lothar Matthäus sieht den Frauenfußball in Deutschland auf dem richtigen Weg. "Man hat die Chance beim Schopf gepackt und in der Zeit ohne große Highlights beim Männerfußball Werbung für den Frauenfußball gemacht", sagte der Sky-Experte. Trotz der Final-Niederlage gegen England seien die "deutschen Frauen trotzdem Siegerinnen. Das große Potenzial ist bei der EM deutlich geworden. Ich wünsche den Frauen jedenfalls, dass sie in der Bundesliga irgendwann auch mal vor 20.000 Zuschauern spielen. Da müssen sich die Vereine etwas einfallen lassen, damit das in der Zukunft passiert."
Bisher liegt der Schnitt bei unter 1.000 pro Liga-Partie. Aber: Die Fernsehsender haben gesehen, dass auch Frauenfußball ein Massenphänomen sein kann, fast 18 Millionen Zuschauer verfolgten das EM-Finale am Sonntag vor dem Fernseher. Gerade hier muss sich was tun, das Mauerblümchendasein muss ein Ende haben.
Die Nationalspielerinnen hoffen unisono auf abendliche Anstoßzeiten bei Länderspielen. Ende des Jahres wird der DFB die Rechte für die neuen Bundesliga-Spielzeiten vergeben. Der Pay-TV-Sender Sky hat bereits sein Interesse bekundet. Schließlich brauchen die Sender dringend neue Absatzmärkte, denn der Markt im Männerfußball ist längst hoffnungslos überhitzt. Die Kluft zwischen abgehobenen Stars und ihren Millionensalären und den Fans, die oft nur als zahlende Claqueure gesehen werden, wird immer größer.
Apropos Millionen. Die Welt im Frauenfußball ist eine andere, hier herrschen bei der Bezahlung gefühlt noch Kaffeeservice-Zeiten. Deswegen sprach sich Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg für ein Mindestgehalt aus: "Wir haben fast 50 Prozent in der Bundesliga, die nebenbei arbeiten, weil sie nicht von dem Leben können, was sie im Fußball verdienen."