Messi und Neymar sollen FIFA-Skandal überstrahlen

Santiago de Chile/Belo Horizonte – Die beiden Superstars von Champions-League-Triumphator FC Barcelona, ein ganzes Team aus der Bundesliga und gar ein deutscher Trainer träumen von Südamerikas Fußballkrone. Doch das älteste Nationenturnier der Welt wird vom FIFA-Korruptionsskandal überschattet.
Am vergangenen Samstag stemmten Lionel Messi und Neymar als Europas neue Fußballkönige den Henkelpokal gemeinsam in den Berliner Himmel, ab Donnerstag gehen die Superstars des Champions-League-Sieger FC Barcelona aber auf Kollisionskurs. Denn während der Copa América in Chile ruht die Freundschaft.
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Da wird selbst eine Bitte des kongenialen Spielpartners ausgeschlagen. "Überlass es dieses Jahr uns", habe ihn der Argentinier Messi angefleht. Eben weil der Brasilianer jung sei und noch oft die Südamerika-Meisterschaft spielen könne. Neymars lapidare Antwort: "Das werde ich nicht zulassen. Wir müssen gegen ihn gewinnen." Erstmals mit dem nationalen A-Team einen Titel zu holen, ist für das Erfolgsduo das letzte große Saisonziel.
Die 44. Auflage des weltweit ältesten Nationenturniers, das im kommenden Jahr sein 100-Jähriges feiert, wirft bis zum Gran Final am 4. Juli die Scheinwerfer auf die Dribbelkünste der Barça-Heroen, zudem auf den Kolumbianer James Rodriguez (Real Madrid), Torschützenkönig der WM vor einem Jahr, auch auf elf Profis aus Deutschlands Ligen und sogar auf bunte Tupfer, für die als zweiter Gast neben Mexiko der deutsche Trainer Winfried Schäfer mit Jamaika sorgen soll.
Die Fiesta Latina startet am Donnerstag mit Gastgeber Chile gegen Ecuador. Und gleich unter heftigem Kater. Zwei ehemalige Präsidenten des Kontinentalverbandes CONMEBOL sowie der Ex-Boss der brasilianischen Dachorganisation CBF stehen als Schlüsselfiguren des von der US-Justizbehörde entfachten Flächenbrands im Weltverband FIFA unter Arrest, weiteren hochrangigen CONMEBOL-Funktionären droht wegen angeblich erhaltener Schmiergelder Ungemach.
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Laut Untersuchungen habe sich die eigens für Bestechungszwecke in Uruguay gegründete Firma Datisa im Jahr 2013 Medien-, Sponsoring- und Vermarktungsrechte an vier Copa-Turnieren gegen Zahlung von Korruptionsgeldern in Höhe von 100 Millionen US-Dollar an Verbands-Oberen gesichert. Der Argentinier Alejandro Burzaco, einer der Datisa-Gründer, stellte sich am Dienstag in Bozen der italienischen Polizei. Fraglich bleibt, was jetzt aus den Verträgen wird.
Sportlich will Chile mit den "deutschen" Gastarbeitern Miiko Albornoz (Hannover 96), Gonzalo Jara (Mainz 05) und Marcelo Diaz (Hamburger SV) vor heimischem Publikum nach vier zweiten Plätzen erstmals Südamerikas Thron besteigen, hat in Arturo Vidal von Italiens Meister sowie Champions-League-Finalisten Juventus Turin und Alexis Sßnchez von Englands FA-Cup-Sieger FC Arsenal seine Ausnahmekönner und ist in der Gruppe A gegen Ecuador, Bolivien und einem B-Team aus Mexiko klarer Favorit.
In der Gruppe B kommt es Dienstag (16. Juni) zum Erzduell von Titelverteidiger und Rekordsieger Uruguay (15 Titel), das auf den nach seiner WM-Beißattacke für Pflichtspiele im Celeste-Trikot noch gesperrten Luis Sußrez verzichten muss, gegen "Verfolger" Argentinien (14 Titel, zuletzt 1993). Schäfers Reggae Boyz mit dem Karlsruher Daniel Gordon und Paraguay, das mit Nelson Valdéz (Eintracht Frankfurt) und Raúl Bobadilla (FC Augsburg) angreift, hoffen, zumindest als einer der beiden besten Gruppendritten in die K.o.-Runde der besten Acht einzuziehen.
Als letzter Favorit startet Brasilien (8 Titel) mit dem Hoffenheimer Roberto Firmino, aber ohne den kurzfristig wegen einer Knie-Operation ausfallenden Wolfsburger Pokalsieger Luiz Gustavo am Sonntag gegen Peru ins Turnier. Das Andenteam, neben Venezuela "Underdog" der Gruppe, setzt mit Carlos Zambrano (Frankfurt), Jefferson Farfßn (Schalke 04), Claudio Pizarro (Bayern München) und Yordy Reyna von RB Leipzig ganz auf deutsche Tugenden.
Seleção-Superstar Neymar hat am kommenden Mittwoch (17. Juni) gegen Kolumbien sein Déjà vu, wenn er in der Neuauflage des WM-Viertelfinales "Knochenbrecher" Camilo Zúniga wiedertrifft. Doch selbst der Titelgewinn wäre keine Wiedergutmachung für das 1:7-Halbfinal-Debakel vor einem Jahr gegen Deutschland. Dies meint zumindest der von Nationaltrainer Dunga entmachtete Ex-Kapitän Thiago Silva und erklärt: "Ein Sieg bei der Copa América wird nicht das auslöschen, was wir bei der WM verbrochen haben."
Smog in gleich vier der acht Turnierstädten sorgt auch noch für dicke Luft. Concepción und Santiago, wo Halbfinale und Endspiele stattfinden, sowie Temuco und Rancagua vermelden im Winter der südlichen Erdhalbkugel gesundheitsgefährdende Feinstaub-Werte. Erste Gegenmaßnahmen wie Fahrverbote für Autos wurden schon ausgerufen. Der Ball soll aber dennoch weiterrollen.