Magath: Der Marathon-Meister

Felix Magath hat die Bayern zuletzt ganz schön gepiesackt. Hier spricht er über das Verhältnis zum Rekordmeister, unruhige Nächte und einen Verrat.Und ums Geld geht es natürlich auch.
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Volles Engagement an der  Seitenlinie: Felix  Magath.
dpa Volles Engagement an der Seitenlinie: Felix Magath.

Felix Magath hat die Bayern zuletzt ganz schön gepiesackt. Hier spricht er über das Verhältnis zum Rekordmeister, unruhige Nächte und einen Verrat.Und ums Geld geht es natürlich auch.

AZ: Herr Magath, vermutlich sind Sie einverstanden, dass wir dieses Interview in einem Wolfsburger Lokal und nicht auf dem Münchner Rathausbalkon führen.

FELIX MAGATH: Da haben Sie Recht. Das Balkon-Interview war im Rückblick natürlich nicht sinnvoll. Und man darf sich darüber aufregen. Ich rege mich ja auch auf, wenn meine Spieler Fehler machen.

Die Bayern-Bosse nahmen's amüsiert. Karl-Heinz Rummenigge vermutete, Entzugserscheinungen hätten Sie auf den Balkon getrieben.

Es war bestimmt nicht meine Idee, das Interview dort zu führen. Aber es hilft nichts, es ist ja nicht mehr rückgängig zu machen. Ich habe Verständnis dafür, wenn man sich beim FC Bayern von mir provoziert fühlt – auch wenn das nicht meine Absicht war. Darum ärgert mich das.

Es war ja eine bemerkenswerte Münchner Fernsehserie: Samstags filmt das ZDF Sie als fröhlichen Spitzenreiter in einem Harlachinger Lokal. Am Sonntag stehen Sie fürs DSF am Perlacher Forst, durch den sonst die Bayern-Profis rennen. Und montags das BR-Ding auf dem Balkon.

Das hat sich rein zufällig ergeben. Nach drei Arbeitswochen hatte ich mir das Recht genommen, mal wieder zu meiner Familie zu fahren. Dass die bekanntermaßen in München lebt, kann ich nicht ändern, nur weil der FC Bayern gerade nicht Tabellenführer ist.

Ihre Familie wohnt nicht zufällig im Rathaus, oder?

(lacht) Also, auf den Rathausbalkon werde ich mich nie mehr stellen. Es sei denn, ich würde mal Trainer bei 1860. Oder nochmal bei Bayern.

Ist das denn vorstellbar?

Darüber mache ich mir keine Gedanken.

Haben Sie ein Problem mit dem FC Bayern?

Weil ich da mal Trainer war und entlassen wurde? Wirklich nicht. Wenn einer glaubt, dass da ein Stachel in mir sitzt – völliger Quatsch. Da kann ich nur lachen. Mit Bayern habe ich nur jenes Problem, das ich auch mit Hertha oder Stuttgart habe: als Gegner.

Man achtet bei Ihnen eben auf Zwischentöne, wenn die Sprache auf Bayern kommt.

Wie soll ich mich wehren, wenn versucht wird, Unfrieden zu stiften? Auf die Arbeit von Klinsmann habe ich so geachtet wie auf die von Meyer in Gladbach oder Favre in Berlin: Ich kümmere mich darum nicht. Wenn ich zu meiner Meinung stehe, dass ein Trainer im Job Erfahrung braucht, kann man das sicher gegen Klinsmann drehen. Aber er allein ist damit nicht gemeint. Und wenn ich gegen Bayern kurz vor Schluss beim Stand von 5:1 den Ersatztorwart einwechsle, ist das in meinen Augen ein normaler Vorgang. Da soll sich niemand aufregen.

Ein normaler Vorgang?

Klar. Gegen Hoffenheim habe ich das auch gemacht. Eine Einwechslung kurz vor Schluss bedeutet auch Einsatz- und Siegprämie. Warum sollen immer nur Feldspieler in diesen Genuss kommen?

Bedauern Sie, noch nicht zu einem Spitzenklub im Ausland gekommen zu sein?

Ich bin sowas von zufrieden damit, dass ich mich vor zwei Jahren für Wolfsburg entschieden habe, obwohl mir damals wirklich niemand zugeraten hat. Besser hätte es nirgendwo laufen können.

Wann war Ihnen klar, dass Sie dort Meister werden?

Nach dem Cottbus-Spiel.

Das hat der VfL verloren!

Genau. Und trotzdem hat sich die Stimmung in der Mannschaft und im Umfeld gehalten. Auch nach der Niederlage haben in Wolfsburg alle von der Meisterschaft geredet. Das war ein Signal.

Schlafen Sie also ruhig?

Ich habe schon besser geschlafen als in den letzten Wochen.

Was macht Sie unruhig?

Mitten im Meisterkampf ging es plötzlich um meine persönliche Zukunft. Darum, dass ich die Entscheidung getroffen habe, nach der Saison Schalke zu übernehmen: Das war die Unruhe, die ich in den letzten Wochen hatte.

Wann wollten Sie Ihren Wechsel verkünden?

Natürlich erst nach der Saison, ist doch klar.

Aber dann wurde Ihr Wechsel doch publik, viel früher als geplant. Wer hat geplaudert?

Ich kann nur vermuten. Und ich habe eine Vermutung, die für mich Gewissheit ist.

Ihr Chef, VW-Vorstand Martin Winterkorn, sitzt im Bayern-Aufsichtsrat. In München hätten sie Interesse haben können, Unruhe in Wolfsburg zu schüren. Vermuten Sie den Absender der Indiskretion an der Säbener Straße?

Nein, den FC Bayern habe ich nicht im Auge.

Warum Schalke?

Ach, jetzt könnte ich sagen, ich war schon überall in der Bundesliga, nur noch nicht im Ruhrgebiet (lacht). Es ist der FC Schalke, weil dieser Klub nach dem FC Bayern die größte Bedeutung in Deutschland hat. Der Klub bringt vieles mit, um nicht nur national, sondern auch international eine gute Rolle zu spielen. Bisher hat man es trotzdem nicht geschafft. Ich will natürlich sehen, ob ich es schaffe, mit diesem Klub Meister zu werden. Es ist eine Herausforderung.

Vermutlich ja auch finanziell, oder? Dabei sind Sie 55 Jahre alt, und wir nehmen mal an, dass bereits Ihre bisherigen Ersparnisse auch für die nächsten 55 Jahre reichen.

Geld spielte auch eine Rolle, aber eine Nebenrolle.

Sollen wir das glauben?

Die Entscheidung für Wolfsburg war doch genauso! Ich liebe es, Dinge zu machen, mit denen keiner rechnet oder die andere für schwer machbar halten. Deswegen bin ich auch mal Marathon gelaufen. Nicht weil ich 42 Kilometer am Stück laufen wollte. Es ging mir darum, mal zu sehen: Kann jemand, der Berufssportler war und sein Leben lang Sport getrieben hat, ohne weiteres Training einen Marathon schaffen? Das war die Aufgabe. Und es ging. Damit war Marathon für mich erledigt.

Schalke ist also Ihr nächster Marathon?

Sehen Sie, da hat es über 50 Jahre keiner geschafft, Meister zu werden. Also ist es schon spannend: Schaffe ich das oder nicht? Ich probier's halt.

hr Ziel war mal, als Trainer die gleichen Titel zu gewinnen wie als Spieler.

Das habe ich immer noch.

Glauben Sie etwa, dass Sie mit Schalke mal die Champions League gewinnen?

Ich werde es versuchen.

Das haben Sie nicht mal mit dem FC Bayern geschafft.

Das lässt sich nicht wegdiskutieren. So wie es müßig ist, im Nachhinein über die Gründe zu sprechen. Ich habe es mit Bayern nicht geschafft. Also muss ich es mit einem anderen Verein versuchen. Warum nicht mit Schalke?

Wird die Meisterschaft mit Wolfsburg für Sie persönlich wertvoller als mit Bayern?

Ich habe hier natürlich mehr Einfluss gehabt auf das ganze Geschehen als bei Bayern. Insofern fühle ich mich hier mehr verantwortlich.

Und es stört Sie nicht, dass der VfL als Retortenklub gilt?

Jeder Klub hat ein anderes Umfeld, andere Strukturen und Voraussetzungen. Wenn jetzt jemand jammert, er hätte nicht so viel Geld wie VW, kann ich ihm nur sagen: Dann hätte er halt besser mit seinen Möglichkeiten umgehen müssen. Nehmen wir Schalke, Dortmund, die haben 70000, 80000 Zuschauer, viel mehr Einwohner, im Umfeld leben Millionen. Wolfsburg hat nur 130000 Einwohner und eben ein anderes Umfeld. Bedingungen sind immer unterschiedlich. Vielleicht ist es deutsche Art, immer zu jammern. Jeder soll seine Möglichkeiten bestmöglich nutzen. Das werde ich auch in Schalke versuchen.

Was machen Sie mit Ihrer Meisterprämie?

Da muss ich erstmal gucken, wie viel das ist. Dass wir den Vertrag gemacht haben, ist ja schon zwei Jahre her.

Wie belohnen Sie sich?

Das Erreichte ist Belohnung genug.

Und wer wird Zweiter?

Ich nehme an, dass es sich der FC Bayern in einem Heimspiel nicht mehr nehmen lässt.

Interview: Michael Schilling

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