Löw gegen Klinsmann: Wer ist der Bessere?

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Deutschland gegen die USA – das ist auch Jogi Löw gegen Jürgen Klinsmann. Ansprache, Erfolge, Taktik, Innovation, Erfahrung – die AZ hat vor dem Duell den großen Nationaltrainer-Check gemacht.
Santo Andre – Es war einst am Comer See. Am 29. Juli 2004 trafen sich der damals frisch ernannte Bundestrainer Jürgen Klinsmann und sein Wunsch-Assistent Joachim Löw im Haus eines Freundes, um zu beschließen, wie die Zukunft der deutschen Nationalmannschaft auszusehen hat. „Wir sprachen drei Stunden lang, die Kinder haben draußen gespielt, da war Halligalli“, erzählte Klinsmann – die Geburtsstunde des Sommermärchens, einer neuen Ära, der Anfang von so vielem.
Zehn Jahre später treffen sich die beiden als Rivalen wieder. In Brasilien, USA gegen Deutschland, Showdown in Recife (Do., 18 Uhr/ARD). „Natürlich werden viele Emotionen da sein gegen die Mannschaft, die man mit aufgebaut hat und der man die Daumen drückt, dass sie Weltmeister wird“, sagt Klinsmann. Ein Remis reicht beiden, aber wer will das schon? „Wir fahren hin, um zu gewinnen“, sagt er.
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Der Kontakt zu Löw ist unterbrochen – für die Zeit bis zum Spiel. „Es ist keine Zeit für Freundschaftsanrufe, jetzt geht’s ums Geschäft“, sagt Klinsmann. Für 90 Minuten. „Wenn das Spiel vorbei ist, gibt’s viele Umarmungen, dann hoffen wir, dass beide weiter sind.“ Löw und Klinsmann: was einst eins war, sind nun zwei Nationaltrainer. Die AZ zeigt, wer was kann, wo wessen Stärken liegen.
Ansprache: Vorteil Klinsmann, der als Motivationsguru gilt. Seine 2006er Kabinenansprachen („Heut sindse fällig, absolut fällig!“) sind dank des Wortmann-Films legendär. Angestachelt von Klinsmann pflügen auch die US-Spieler aktuell wie wildgewordene Rasenmäher durch Brasilien, spielen furchtlos, zu allem entschlossen. „Jürgen weiß, wie Jogi denkt, kennt dessen Schwächen. So kann er der eigenen Mannschaft das Gefühl geben:
Wir wissen wahnsinnig viel über die, wir können die Deutschen schlagen. Ein Trumpf, den er psychologisch klug ausspielen wird“, sagt Oliver Kahn. Auch Löw kann seine Spieler besonders kitzeln, ans Äußerste ihrer Leistungsgrenze treiben – wenn auch mit ruhigeren Worten. „Er ist ein sehr motivierender, aufbauender Trainer. Bis zur Ansprache macht er alles komplett“, sagt Per Mertesacker.
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Erfolge: Kleiner Vorteil Löw. Auf dem Papier ist der Bundestrainer der Erfolgreichere, hat als Coach immerhin schon Trophäen gewonnen – allerdings keine großen. 2002 wurde er mit Innsbruck österreichischer Meister. Den VfB Stuttgart führte er 1997 zum DFB-Pokalsieg und ein Jahr später ins Pokalsiegercup-Finale. Mit der Nationalmannschaft sprangen nur ein zweiter (EM 2008), ein dritter Platz (WM 2010) und ein Halbfinal-Aus (EM 2012) raus. Klinsmann coachte das DFB-Team gemeinsam mit Löw 2005 zum Confed-Cup- und 2006 zum WM-Dritten. Dazu kommt der Gold Cup 2013.
Taktik: Vorteil Löw. Unter Klinsmann galt Löw als das Mastermind, während der Schwabe eher das ganze Projekt managte. „Ich war 18 Jahre Profi. Und in den 18 Jahren konnte mir kein Trainer erklären, wie sich eine Viererkette verschiebt. Bei Jogi habe ich es in einer Minute verstanden“, sagte Klinsmann mal über die erste Begegnung auf einem Trainerlehrgang in Bad Honnef 2000.
Taktische Defizite wurden Klinsmann später bei Bayern zum Verhängnis. Nun hat er sich extra Berti Vogts als Berater geholt. Doch auch Löws Taktik geht nicht immer auf: Bei der EM 2012 vercoachte der sich gegen Italien.
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Innovation: Vorteil Klinsmann. Er geht stets eigene Wege, hat den DFB einmal auf links gekrempelt. „Wir zehren immer noch von der Zeit“, sagt Mertesacker. „Er ist ein Reformator, der Dinge gern verändert, umstrukturiert“, sagt Kahn. Auch beim US-Verband hat er Strukturen aufgebrochen, seine Leute installiert. Löw geht ebenfalls mit der Zeit, guckt sich Dinge aber gerne ab, lässt sich eher inspirieren (z.B. von Pep Guardiola), als dass er selbst inspiriert.
Erfahrung: Vorteil Löw. Während der Badener seit 1994 mehr oder weniger ununterbrochen als Trainer arbeitet, hatte Klinsmann vor seiner Anstellung beim US-Verband 2011 nur die zwei Jahre beim DFB und das dreiviertelte Jahr bei Bayern auf der Vita stehen. Das einzige bisherige Länderspielduell der beiden vor einem Jahr in Washington gewann Klinsmann allerdings mit den US-Kickern 4:3