Katsche Schwarzenbeck: „Ein Endspiel, herrlich“
Damals die DDR, jetzt Serbien: Der Weltmeister sieht erstaunliche Parallen, erinnert sich an 1974 und glaubt vor dem Ghana-Spiel an die DFB-Elf: „Etwas Besseres hätte nicht passieren können“.
AZ: Nach einem souveränen Vorrundensieg gegen Australien ein überraschendes 0:1 gegen einen Außenseiter. Und am Ende waren Sie Weltmeister, Herr Schwarzenbeck. Vielleicht geht es ja diesmal auch so aus wie 1974.
KATSCHE SCHWARZENBECK: Da hätt’ ich nichts dagegen. Ich habe nach dem Serbien-Spiel auch drangedacht: Was für eine Parallele zur WM ’74. Damals haben wir erst die Australier 3:0 geschlagen, sind als haushoher Favorit ins Spiel gegen die DDR gegangen. Da hat doch keiner gedacht, dass wir gegen die verlieren. Da hat doch jeder gedacht: Mei, die DDR.
Sie waren sich zu sicher.
Wir sind – wie die Mannschaft jetzt – nach dem Australien-Spiel schon zu sehr hochgejubelt worden. Und dann ist dazugekommen, dass wir ja schon unsere Chancen hatten, sie aber nicht reingemacht haben. Und die DDRler sind immer sicherer geworden. Und was dann kam, wissen wir.
Sparwasser. Der traf aber auch nur, weil Sie nicht mehr im Spiel waren. Höttges, der für Sie kam, sah ja kurz darauf entsetzlich schlecht aus beim Gegentor.
Das Problem war, ich hab einen Schlag aufs Wadl bekommen, deswegen hab ich raus müssen. Der Höttges hat ja gar keine Zeit gehabt, sich aufzuwärmen. Und wennst kalt reinkommst, schaust als Verteidiger meistens schlecht aus. Da hat er es schon schwer gehabt. Jedenfalls war die Niederlage im Nachhinein gar nicht so verkehrt.
Weil Ihnen dadurch in der Zwischenrunde die Mördergruppe mit Holland, Argentinien und Brasilien erspart geblieben ist?
Weniger das, vielmehr hat sie uns einfach wachgerüttelt. Das hat uns ganz deutlich gemacht, dass wir uns so richtig zammreißen müssen.
Kapitän Beckenbauer soll danach ja laut geworden sein im Quartier in Malente.
Oh ja, sehr laut. Was da aufeinander geschimpft worden ist, meine Güte. Das hat es aber auch gebraucht. Auf einmal hat jeder gewusst, es geht nicht mehr so weiter. Jedem ist klar geworden, wenn wir in der Zwischenrunde so spielen wie gegen die DDR, dann ist die WM bald vorbei für uns. Das in der Zwischenrunde waren eigentlich ja auch reine K.o.-Spiele, weil ja nur der Gruppenerste ins Finale weitergekommen ist. Da hast du gewusst, eine Niederlage und du bist weg vom Fenster.
Und Sie gewannen dann ja auch alle drei Spiele auf dem Weg ins Endspiel. Jugoslawien, Schweden, Polen.
Das ist doch jetzt genau das Gleiche. Die müssen Ghana schlagen. Aus. Werden sie auch. Etwas Besseres hätte gar nicht passieren können.
Wie meinen Sie das?
Weil dann eben jetzt schon die K.o.-Spiele losgehen. Du hast jetzt schon ein Endspiel, herrlich. Kein Geplänkel mehr, kein Herumrechnen. Ab jetzt müssen sie gewinnen. Ist doch auch viel spannender, als wenn es nur so vor sich hinplätschert. Und stellen Sie sich vor, die gewinnen alle drei Spiele und verlieren dann das Achtelfinale. Dann können sie heimfliegen, Wiederschaun. Wenn schon einmal verlieren, dann gegen Serbien. Das war der beste Zeitpunkt.
Wie gefällt Ihnen denn die WM insgesamt?
Mei, auch wenn sie verloren haben, finde ich, dass die Unseren immer noch mit den schönsten Fußball spielen. Wenn ich mir die Franzosen anschaue, die Italiener, die Engländer, dieses ewige Abwarten und Abtasten, schön ist das nicht. Aber wissen Sie, was mich sonst noch stört?
Nein, sagen Sie es.
Dass die Schiedsrichter so kleinlich pfeifen. Gerade bei dem Serbien-Spiel, da habe ich mir gedacht: Herrschaft, der kann ja nicht mehr aufhören mit seinen Karten. Der hat einmal angefangen und sich nicht mehr bremsen können.
Darum flog dann ja auch Miroslav Klose vom Platz.
Ja, wobei ich zu meiner Frau beim Fernschauen gesagt habe: Warum geht er denn jetzt schon wieder so hin. Das war kein brutales Foul klar, aber wenn ich schon weiß, dass der Schiedsrichter so pfeift, dann muss ich aufpassen. Entweder ich überhole den Gegenspieler und hole mir den Ball, oder ich lass’ es sein. Es war ja keine Torgefahr, es war an der Mittellinie. Das war vielleicht ein bisserl unklug vom Klose. Ich hab’ bei sowas immer aufgepasst früher. Und ich war ja auch nicht gerade zimperlich.
Florian Kinast