Immer schön aggressiv
Kapitän Michael Ballack kehrt zum DFB zurück, stellt auf stur – und handelt sich Kritik von Bundestrainer Löw ein.
DÜSSELDORF Mit der Attraktivität ist es so eine Sache. Das weiß auch Michael Ballack. Dass er nun in einer Emnid-Umfrage zum erotischsten Nationalspieler – vor Lukas Podolski und Philipp Lahm – gewählt wurde, dürfte dem Chelsea-Star schmeicheln. Doch sportliche Aspekte interessieren ihn vor dem WM-Qualifikationsspiel am Samstag gegen Russland (20.45 Uhr, ARD live) mehr. Seine Rückkehr zum Nationalteam läuft nach dem Motto: Immer schön aggressiv. Ballack sorgt für Zündstoff, denn der sture Kapitän („Ich ändere meinen Stil nicht“) sorgt für Probleme.
DAS SPIELSYSTEM
„Offensive Spielweise ist ja schön und gut“, sagte der 32-Jährige dem „kicker“, „aber wenn wir erfolgreich spielen wollen, muss das Defensiv-Verhalten stimmen.“ Womit der 32-Jährige, der zuletzt in Liechtenstein (6:0) und Finnland (3:3) verletzt pausiert hatte, die taktische Ausrichtung von Joachim Löw in Frage stellte. Der Bundestrainer reagierte genervt und teilte mit, dass Ballacks Rückkehr „keine Problematik“ bedeute. Kapitäne wurden schon freudiger empfangen.
DIE CHEFROLLE
Während seiner Abwesenheit hatten 1b-Nationalspieler aufbegehrt, vor allem Thomas Hitzlsperger. „Ich weiß, dass mit Ballack und Frings noch zwei erfahrene Spieler da sind, die es zu verdrängen gilt“, hatte der VfB-Star getönt. Ballack, bei Chelsea gesetzt, lässt dies kalt. Einer wie Hitzlsperger, in Stuttgart nun selbst Spielführer, würde so erkennen, „dass man als Kapitän eben ganz anders in der Verantwortung steht“. Auf die Frage, ob es ein Hierarchie-Problem gebe, antwortete Ballack gereizt mit nur einem Wort: „Nein.“ Doch Löw will nicht nur einen Chef. Gestern sagte er: „Einer alleine wäre zu wenig. Ich verlange von mehreren Spielern, dass sie auf dem Platz Verantwortung übernehmen. Ohne Konkurrenzkampf wäre es relativ langweilig.“
DER BIERHOFF-KONFLIKT
Ist nur offiziell ausgeräumt. Hatte der Kapitän Teammanager Oliver Bierhoff nach dem verlorenen EM-Finale noch öffentlich angebrüllt, so setzt Ballack den Konflikt nun mit einer Strategie der subtilen Nadelstiche fort. Als Spieler stünde für ihn „das Sportliche an erster Stelle“, Bierhoffs „Aufgabe ist mehr das Drumherum“. Zum Drumherum zählt die Beflockung der DFB-Trikots. Im Gegensatz zu anderen Nationen, u.a. Italien und England, standen zuletzt die Namen der deutschen Nationalspieler nicht auf dem Dress. Laut Bierhoff wegen „technischer Probleme“. Worauf Ballack höhnte: „Das habe ich vom DFB-Ausrüster Adidas anders gehört.“ Am Samstag gibt’s übrigens frisch beflockte Trikots. Dann steht über der Nummer 13 wieder Ballack. Bleibt zu hoffen, dass der Ex-Bayer dann schön aggressiv zu Werke geht. Denn Bierhoff bemerkte gestern süffisant: „Nicht Michael Ballack ist Vize-Europameister geworden, sondern die ganze Mannschaft.“
Jochen Schlosser